Von Rio Grande nach Westen
Nachdem wir durch die Begegnung mit Ezequiel und seiner Familie doch ein paar Tage länger in Tolhuin geblieben sind geht es dann am Dienstag weiter. Natalia und Ezequiel wollten uns gerne noch zum Asado einladen. Wir würden einerseits gerne bleiben, aber wir wollen ja auch in die Anden zum wandern und der Herbst schreitet langsam voran.
Nach einer Reparatur an dem Ventil einer unserer Luftfedern fahren wir dann über die Ruta 3 zurück nach Rio Grande und am Mittwoch früh weiter nach Westen in Richtung chilenischer Grenze.
Wir nehmen nicht den schnellsten Weg, sondern eine Strecke die auf Schotterpisten mitten durch Feuerland nach Westen führt. Bis zur chilenischen Grenze geht es durch weite Graslandschaften mit Zäunen rechts und links der Straße. Außer den regelmäßig auftauchenden Guanacos gibt es hier nicht so viel zu sehen. Und selbst wenn käme man nicht hin, weil ja alles eingezäunt ist.
Der Grenzübertritt dauert etwas länger, weil die Internetverbindung gerade nicht sehr gut ist. Egal. Wir haben ja Zeit. In einem der Räume der Grenzstation hängt ein Aushang zum Thema Covid19. Natürlich haben wir davon viel aus Europa in den Nachrichten gehört und gelesen aber hier ist das ja weit weg. Wer die letzten zwei Wochen aus Europa eingereist ist soll das den Grenzbeamten mitteilen. Wir sind schon seit sechs Wochen hier. Während der Wartezeit versuchen wir noch uns erklären zu lassen, welche Lebensmittel wir denn nun nach Chile einführen dürfen und welche nicht. Die Auskünfte widersprechen zum Teil denen der anderen chilenischen Grenzbeamten die wir schon gefragt hatten. Scheinbar weiß es letztlich auch von diesen keiner so genau. Aber wenn man auf Obst, Gemüse, Fleisch und Honig einfach nicht dabei hat ist es, wie oben schon geschrieben, im großen und ganzen kein Problem.
Karukinka
Auf der anderen Seite der Grenze geht es noch eine Weile nach Westen. Dann zweigt eine kleine Straße in Richtung Süden ab. Die Straße ist zwar eine Sackgasse, soll aber landschaftlich sehr schön sein haben uns mehrere Leute erzählt. Also fahren wir da auch mal hin. Es geht in den Karukinka Nationalpark. Wir schauen bei den Guardaparques vorbei, den Parkrangern und lassen uns bisschen was zum Park erzählen. Dann fahren wir immer weiter nach Süden um letztlich beim Lago Deseado unser Nachtlager aufzuschlagen. Davor fahren wir über zwei schöne Pässe und sehen unseren ersten Condor in der Luft. Also erstmal sieht ihn Delphine und wir sind uns auch nicht ganz sicher ob es ein Condor oder ein anderer großer Raubvogel ist. Inzwischen wissen wir aber, dass es einer war.
Wir wollen einerseits gerne weiter in Richtung Westen und nach Punta Arenas, andererseits reizt es uns die Straße noch weiter in Richtung Süden zu erkunden. Der See an dem wir übernachtet haben ist zwar schön, aber kaum zugänglich. Die Straße führt weiter über einen Pass ans Meer. Einer der vielen chilenischen Fjorde reicht hier sehr weit in das Land hinein und wir beschließen noch so weit zu fahren.
Also geht es nochmal über einen Pass. Auf der anderen Seite kommen wir zum Lago Cami. Es ist der selbe See, der in Argentinien Lago Fagnano heißt und im Osten bis Tolhuin geht. Hier sind wir an seinem westlichen Ende ca. 100km von Tolhuin entfernt. Mit dem Auto eher 500 km. Die Straße geht auch noch weiter nach Süden, aber den Abschnitt wollen wir nicht noch erkunden. In ein paar Jahren soll sie so weit in den Süden führen, dass man dann das Meer erreicht und mit einer Fähre nach Puerto Williams fahren kann. Das liegt noch deutlich weiter südlich als Ushuaia, ist aber nach chilenischem Recht keine Stadt. Wenn sich das ändert wird Puerto Williams zur südlichsten Stadt der Welt und Ushuaia muss diesen Titel dann wieder abgeben. Ein komischer Wettstreit, vor allem, wenn man bedenkt, dass sowohl Ushuaia als auch Puerto Williams nur wenig mehr im Süden liegen als Kiel auf der nördlichen Halbkugel im Norden. Aber für den Tourismus scheint es wohl eine Rolle zu spielen.
Wir nehmen einen Abzweig nach Westen und fahren noch bis nach Caleta Maria. Hier am Fjord gibt es eine kleine Farm und einen Wohnwagen. Als wir aus Pedro aussteigen und ein paar Meter weit gehen kommt ein Geländewagen am Strand auf uns zugefahren. Der Fahrer stellt sich als Juan vor. Er lebt in dem Wohnwagen und bietet Fahrten mit einem kleinen Boot zu einer Seeelefanten Kolonie in der Nähe an. Und auch wenn wir nicht an dem Ausflug interessiert sind sollen wir auf einen Tee vorbei kommen. Wir wollen uns erstmal bewegen und die Gegend erkunden und verabreden uns für später mit ihm. Erstmal machen wir einen langen Spaziergang am Ufer und versuchen durch die Wolken einen Blick auf die vergletscherten Berge der Umgebung zu bekommen. Südlich von uns liegt die Cordillera Darwin. Ihr höchster Berg, der Monte Darwin ist nicht mal 2500 Meter hoch, aber die Gletscher reichen hier teilweise bis an den Fjord.
Später gehen wir zu Juan, der gerade einige schöne große Lachse aus dem Meer gefischt hat. Er will uns einen davon geben, aber wir schlagen vor ihn gemeinsam zu essen. Also gehen wir zu Pedro und kochen Pasta während Juan den Lachs zubereitet. Dann essen wir gemeinsam bei ihm in seinem deutschen Wohnwagen und er erzählt eine Menge über sein Leben und die aktuelle Lage in Chile.
Juan hatte einige Jobs. Er ist nach Schnecken getaucht, hatte ein Restaurant in Porvenir und hat als Fischer gearbeitet. Jetzt sind seine Kinder erwachsen und er lebt den Sommer über hier am Fjord und verdient sein Geld mit kleinen Ausflügen die er für Touristen anbietet. Den Lachs den er hier fängt isst er und verschenkt ihn auch gerne an Besucher. Das Meer gibt ihm genug für alle sagt er.
Als einige Gäste kommen, die mit ihm zu den Seeelefanten fahren wollen muss er los. Zum Abschied bekommen wir noch einen dicken Seelachs den wir in Pedro gleich zerlegen und in den Kühlschrank packen. Dann fahren wir zurück zum Eingang des Karukinka Nationalparks.
Wir übernachten direkt am Ausgangspunkt einer kleinen Wanderung die wir am nächsten Morgen vor dem Frühstück als Berglauf machen. Endlich mal wieder Bewegung. Wir kommen bald in den Teil der Anden, in dem es dann so richtig losgehen soll mit schönen Wanderungen und Bergtouren. Aber wir haben das Gefühl gar nicht richtig fit dafür zu sein, weil wir seit Wochen keine größeren Touren mehr gemacht haben. Also jetzt ein kleiner Berglauf zum Training.
Weiter nach Westen
Und dann geht es zunächst zurück auf die eigentliche Ost-West Verbindung auf der wir schon von Argentinien kamen und weiter nach Westen zur Magellanstraße. Unterwegs gibt es wieder lange Straßenabschnitte mit Zäunen rechts und links. Jedesmal wenn wir Guanacos sichten zückt der jeweilige Beifahrer schnell seine Kamera, die bereits mit Teleobjektiv bereit liegt und versucht durchs offenen Fenster die Flucht der Guanacos über die Zäune festzuhalten. Die Tiere können aus dem Stand über Zäune springen die etwa so hoch sind wie sie. Da das sehr elegant aussieht sind wir beide scharf auf ein Foto davon. Ab und zu klappt es.
Vor ca. 120 Jahren gab es in der Gegend einen Goldrausch. Der währte wohl nicht all zu lange, aber nicht weit von der Straße gibt es noch eine große Maschine aus dieser Zeit zu sehen. Wir halten an um uns das große, rostige Ding näher anzuschauen und bei der Gelegenheit gleich Mittagspause zu machen. Während wir essen kommt ein Pärchen aus der Oberpfalz vorbei. Die beiden sind seit einigen Jahren immer wieder mit ihrem umgebauten ehemaligen Bundeswehr LKW unterwegs von Alaska bis Feuerland und wollen die nächsten Jahre die Strecke auch wieder zurück fahren. Sie sind jeweils für ein paar Monate unterwegs und dann lassen sie ihr Fahrzeug stehen und sind für ein paar Monate daheim. Nach einer netten Unterhaltung sehen wir uns die Umgebung und die alte Maschine an und fahren dann weiter.
Die Schotterstraßen in Chile sind bisher deutlich besser als die argentinischen und so sind wir bald wieder an der Magellanstraße in Cameron. Wir fahren kurz in den kleinen Ort um einkaufen zu gehen, der einzige Laden hat aber gerade nicht offen. Also gibt es eben am Abend nur das, was unsere Vorräte so hergeben. Wir übernachten wieder mal direkt an der Küste. Am morgen kommt eine Polizeistreife die unsere Pässe kontrolliert. Sie haben aber nichts auszusetzen und sind schnell wieder weg. Wir fahren entlang der Küste weiter zu unserem nächsten Ziel: den Königspinguinen.
Die Königspinguine
Wir haben ja inzwischen schon einige Magellanpinguine zu sehen bekommen, aber die Königspinguine wollen wir auch gerne sehen und so dürfen wir nach einer kurzen Einweisung einer Aufseherin zu dem überdachten Aussichtspunkt gehen, der in ca. 25 Meter Entfernung von dem Platz liegt, den sich diese Kolonie vor einigen Jahren als neue Heimat ausgesucht hat.
Wie schon bei den anderen Pinguinen die wir bisher gesehen haben vergeht die Zeit ganz schnell mit schauen und Fotos machen. Zwei der Pinguine verlaufen sich auch und sind irgendwie über den kleinen Fluß gekommen, der den Beobachtungspunkt von der Pinguinkolonie trennt. Sie watscheln ziemlich planlos auf der Wiese ein paar Meter vor uns herum und wir sind begeistert, dass sie so nahe kommen.
Die meisten der Tiere stehen einfach nur rum. Die kleinen sind gerade noch zu klein um ins Meer zu gehen und lassen sich rundum von ihren Eltern versorgen. Sie stehen in ihrem dicken Kinderfell da und lassen sich bedienen. Die Eltern geben den Jungen entweder zu Essen oder ruhen sich aus. Im Wasser beim fischen ist während wir da sind keiner von ihnen. Wir haben da auch volles Verständnis dafür, schließlich ist es saukalt und windig.
Porvenir
Nach den Pinguinen geht es weiter nach Porvenir. Ein kleines Städtchen gegenüber von Punta Arenas an der Magellanstraße. Für die Fähre sind wir zu spät dran, aber wir gehen noch einkaufen und erkundigen uns über die Abfahrtszeiten. Nach fünf Tagen ohne Internet bekommen wir hier außerdem wieder mal ein paar Informationen von zu Hause. Es ist der siebte März und in Europa ist Corona inzwischen ein großes Thema. Bei uns in Chile nicht.