<a>Zum patagonischen Inlandeis</a>

Zum patagonischen Inlandeis

Vorbereitungen

El Chalten ist das Kletterermekka Patogoniens. Hier gibt es nicht nur den Fitz Roy und den Cerro Torre, die viele der besten Kletterer der Welt anlocken, sondern noch eine ganze Menge anderer wilder Granitspitzen mit langen, steilen Klettertouren die auch erstmal in langen mühseligen Anmärschen erreicht werden müssen.

Für uns und die meisten anderen Touristen hier ist das nichts. Viel zu schwer um es sich überhaupt nur vorstellen zu können wie man da hochkommt. Aber wir haben eine ganze Menge verschiedener Wanderungen auf unserer Wunschliste. Zum einen gibt es ein paar nette Tageswanderungen die wir zu Beginn mal gehen möchten. Dann noch ein paar Zwei- bzw. Dreitagestouren mit schönen Blicken auf die Berge. Und dann gibt es da noch den Huemul-Trek, von dem ich schon vor drei Jahren von verschiedenen Reisenden gehört hatte. Angeblich eine der schönsten und spannendsten Trekking Touren in Patagonien bei der man auch lange Strecken mit Blick auf das Hielo Patagnoico, das patagonische Inlandeis läuft. Diese Tour wollen wir auf jeden Fall machen.

Und dann gibt es da noch eine weitere Tour, die uns schon länger beschäftigt. Man kann von El Chalten aus um Cerro Torre und Fitz Roy herumwandern. Dabei geht es fast die Hälfte der Strecke über verschiedene Gletscher und über fast dreißig Kilometer direkt über das Inlandeis. Eine sehr spannende Vorstellung, aber für Delphine und mich zu zweit nicht machbar. Wir haben zwar beide Erfahrung im Begehen von Gletschern und wissen auch was zu tun ist, wenn einer in eine Spalte fällt, aber unser Gewichtsunterschied ist einfach zu groß um zu zweit auf den Gletscher zu gehen. Falle ich in eine Spalte hat Delphine kaum eine Chance den Sturz zu halten und wird hinterhergezogen. Ich will nicht 25 kg abnehmen und sie nicht 25 kg zunehmen um den Gewichtsunterschied auszugleichen. Die einzige Möglichkeit wäre, dass Delphine den Rucksack mit der gesamten Ausrüstung trägt und ich gar nichts. Das fände ich gar nicht so schlimm, aber ich fürchte, sie ist damit nicht einverstanden, also frage ich lieber erst gar nicht.

Um die Tour gehen zu können bräuchten wir noch ein paar erfahrene Begleiter. Doch woher? Wir haben schon ein paar Reisende angesprochen. Ingej aus Slowenien, der uns mit seinem Zelt geholfen hat, hat auch Gletschererfahrung und wäre gerne dabei, aber die Pläne von ihm und seiner Freundin passen zeitlich leider nicht mit unseren zusammen. Carlos und Ger sind begeistert von der Idee, waren aber noch nie auf einem Gletscher.

Aber wir haben ja schon ein paar Touren mit den beiden gemacht und verstehen uns auch sehr gut mit ihnen. Also überlegen wir etwas konkreter, ob das vielleicht eine Möglichkeit wäre. Sie müssten sich die nötige Ausrüstung in El Chalten leihen und sich am Gletscher dann voll auf Delphine und mich verlassen. Und wenn wir beide beschließen umzukehren müssen sie auch mit zurück. Wir haben das auch schon mit ihnen besprochen und sie wären einverstanden. Aber erstmal wollen wir ein paar einfachere Touren zusammen gehen.

In El Chalten gehen wir zum Gebäude der Nationalparkverwaltung um ein paar Auskünfte über die Routen zu bekommen die wir gehen wollen. Der Huemul-Trek ist leider im Moment auf Grund eines Feuers geschlossen. Als wir nach der Route über den Gletscher fragen holt die Dame die uns berät gleich einen Kollegen dem man auch ansieht, dass er viel in den Bergen ist. Den aktuellen Zustand des Gletschers kennt er auch nicht, gibt uns aber ein paar Tipps zur Route und meint vor allem, dass wir am besten noch heute oder spätestens morgen zu der Tour aufbrechen sollten, wenn wir sie gehen wollen. So ein stabiles Wetterfenster wie im Moment bekommen wir vielleicht den ganzen Sommer nicht mehr.

Also gut, dann wird es eben nichts mit den gemütlichen Einstiegstouren. Wir laufen ins Dorf und suchen Ger und Carlos um ihnen die Planänderung mitzuteilen. Die beiden überlegen nicht allzu lange und sagen zu. Ok, dann müssen wir jetzt noch Steigeisen, Pickel, Klettergurte und ein paar weitere Kleinigkeiten für die beiden ausleihen und dann müssen wir alles packen und morgen sehr früh los.

In einem Verleih für Outdoorausrüstung bekommen wir alles was die beiden an Material brauchen und außerdem noch ein paar gute Tipps vom Besitzer des Ladens. Zum aktuellen Zustand des Gletschers weiß er aber leider auch nichts.

Dann müssen wir noch eine Genehmigung holen, um über die Grenze zu gehen Der Weg verläuft zum Teil auf chilenischem Gebiet. Die Grenze ist aber gerade geschlossen erklären und die Polizisten auf Nachfrage. Ob wir allerdings gehen oder nicht ist ihnen eigentlich egal. Das wäre wenn dann eher eine Frage der Versicherung falls uns etwas passieren sollte. Schmuggeln tut da oben bestimmt keiner was. Na gut, dann halt ohne Erlaubnis über die Grenze. Passieren sollte eh besser nichts, sonst hat man da oben andere Sorgen als einen illegalen Grenzübertritt.

Ich telefoniere am Abend noch mit Philipp und Julia. Meine beiden Kollegen von Kurz und Fischer. Die zwei haben die Runde vor zehn Jahren mal gemacht und können uns vielleicht noch ein paar Tipps geben. Allerdings sind die beiden auch entschieden schneller und sicherer in den Bergen unterwegs als Delphine und ich und hatten damals nicht noch zwei absolute Gletscherneulinge dabei. In dem Gespräch bestätig sich unsere Befürchtung, dass es teilweise durchaus nicht einfach nur eine entspannte Gletscherwanderung ist, sondern man sich eben immer wieder einen Weg durch das Spaltengewirr suchen muss. Und als Philipp und Julia dort waren war der Abstieg vom Gletscher eher eine Eiskletterei als ein einfaches runterlaufen. Das können wir mit unseren Neulingen nicht machen. Wenn es noch so ist müssten wir wohl eher stückchenweise abseilen. Aber versuchen wollen wir es auf jeden Fall.

Also wird bis spät abends alles gepackt. Diesmal wird die Fotoausrüstung ziemlich verkleinert. Nur ein kleines Stativ und nur kein Teleobjektiv und auch kein Weitwinkel. Dafür gibt es den ganzen Kram für den Gletscher und das Seil. Am Ende sind es dann abmarschbereit 27 kg. Super, aber was solls. Wird schon gehen.

Am nächsten Morgen geht es dann um sechs Uhr mit Pedro noch ein paar Kilometer hinter El Chalten zum Ausgangspunkt und dann geht’s los.

Aufstieg zum Refugio Soto

Der erste Tag ist einfach eine schöne Wanderung ins Tal hinter. Wir wollen mindestens bis zu Playita. Einem möglichen Übernachtungsplatz weit hinten im Tal. Wenn möglich, wollen wir aber auch gleich noch nach Norden ins Nebental an dessen Ende wir dann morgen auf den Gletscher kommen.

Wir laufen gut gelaunt und fröhlich quatschend los und die Zeit und die Kilometer vergehen recht schnell. Am Anfang sind noch ein paar andere Wanderer mit unterwegs, aber je weiter wir nach hinten kommen, desto weniger Leute sind unterwegs und die Wege werden auch immer schmaler und sind am Ende auch nur noch durch ein paar Steinmandl markiert.

Wir sind schon mittags bei Playita und machen hier eine schöne Mittagspause. Kurz davor haben und drei junge Burschen mit relativ leichtem Gepäck überholt. Und zwar in einem richtig zügigen Tempo. Als wir beim Essen sitzen kommt noch ein Wanderer mit relativ kleinem Rucksack bei uns vorbei. Nach ein paar Worten ist klar, dass er aus Österreich sein muss. Er wartet kurz auf seinen Partner, die beiden wollen weiter hinten im Tal eine Klettertour machen und dabei möglichst die drei jungen Burschen die uns überholt haben nicht aus den Augen verlieren. Die kennen nämlich den genauen Zustieg.

Als sein Partner kommt wollen die beiden gleich weitergehen. Ich schaue nochmal bissl genauer. Das Gesicht kenne ich doch. Gebi? Tatsächlich. Mit Gebi und zwei Freundinnen war ich vor fünf Jahren in Georgien zum Skitouren gehen. Seitdem haben wir uns leider kaum mehr gesehen. Und jetzt läuft er mir hier mitten im wildesten patagonischen Gebirge über den Weg. Wir quatschen kurz und verabreden uns für die nächsten Tage in El Chalten. Die beiden sind für sechs Wochen hier um in den Bergen zu klettern. Den Fitz Roy haben sie schon versucht und sind fast hochgekommen. Nur die letzten drei Seillängen waren auf Grund von zu viel Eis leider noch nicht möglich. Jetzt sind sie unterwegs zum Pollone um dort eine der für uns unvorstellbaren Klettertouren zu gehen. Mich fasziniert die Vorstellung so weit oben in diesen unglaublichen Wänden zu kraxeln, aber ich weiß, dass ich zum einen nicht das Können dazu habe und zum anderen ganz gewaltige Ängste ausstehen würde da oben. Dann doch lieber Gletscherwanderungen.

Nach der Mittagspause kommt die erste spannende Stelle für unsere zwei Begleiter. Es geht mit Hilfe einer Tirolesa – also einem gespannten Stahlseil – über einen wilden Bergbach. Hier brauchen wir das erste Mal die Klettergurte und ein bisschen was von dem ganzen Sicherungszeug was wir eh für den Gletscher dabeihaben. Delphine erklärt den beiden genau auf was sie achten müssen und ich hangle mich schon mal rüber. Die beiden kommen gut rüber und vor allem Ger ist super glücklich über eine weitere spannenden Erfahrung am Berg.

Danach geht es noch ca. 500 Höhenmeter weiter in unser Seitental rauf. Teilweise ist es schön zu laufen, teilweise auch leichte Kraxelei. Wir steigen an einem laut tosenden Fluss entlang höher. Ich würde gerne möglichst weit oben übernachten um morgen recht bald auf den Gletscher zu kommen. Am Ende finden wir einen schönen Platz mit Wasser, Blick auf den Fitz Roy und einem breiten, wilden Wasserfall auf der anderen Seite. Was will man mehr.

Delphine und ich steigen noch ohne Rucksäcke ein Stück höher, um evtl. schon mal den Gletscher zu sehen und die Möglichkeiten für den Einstieg auf den Gletscher zu erkunden. Ca. 200 Meter weiter oben ist nochmal ein Zelt. Hier übernachtet ein junger Bergführer aus El Chalten mit seinen Kunden, einem jungen deutschen Pärchen, die mit ihm übermorgen auf den Cerro Gorra Blanca steigen wollen. Wir unterhalten uns etwas und er erklärt uns den Zustieg zum Gletscher. Der Aufstieg ist einfach meint er, man muss nur den Weg bis dahin finden. Super, das klingt schon mal gut. Wir hoffen, morgen vielleicht auch ein bisschen hinter den dreien her laufen zu können, dann sind wir bestimmt schneller, als wenn wir immer wieder den Weg suchen müssen.

Aber jetzt erstmal Zelt aufbauen und essen. Das Aufbauen des Zeltes wird recht anspruchsvoll. Entgegen der Wettervorhersage legt der Wind wieder mal ganz schön zu und unser Platz ist für Heringe völlig ungeeignet. Dafür gibt es haufenweise große Steine an denen wir unser Zelt ordentlich abspannen können. Wir sind froh, ein stabileres Zelt zu haben, in dem wir auch bei starkem Wind entspannt schlafen können.

Um halb sechs klingelt der Wecker. Frühstücken, Zelt abbauen, Rucksäcke packen und los. Ich finde, es gibt schönere Arten aufzustehen, aber bei dem Ausblick auf die Berge außen rum fällt es relativ leicht.

Wir laufen bei dem Lager der Gruppe oberhalb von uns vorbei als die noch am Packen sind. Doch bei der ersten Kletterstelle brauchen wir eine Weile den richtigen Weg zu finden und die drei schließen zu uns auf. Super, dann können wir wie gehofft bisschen hinter ihnen herlaufen. So kommen wir recht schnell höher und bald zu einer etwas anspruchsvolleren Kletterpassage. Der Führer sichert seine zwei Kunden hier am kurzen Seil. Das heißt, er geht vor und die Kunden klettern ein paar Meter hinter ihm am Seil hoch, dass er hält. Das ist nichts für uns und unsere zwei Begleiter. Um das halbwegs sicher machen zu können muss man es sehr ausführlich üben. Das bleibt definitiv professionellen Bergführer überlassen. Die Stelle sieht nicht super schwierig aus, aber mit mehr als 20 kg auf dem Rücken werden auch leichte Klettereien schnell ziemlich anspruchsvoll. Zum Glück erfahren wir noch, dass nach dieser Stelle nur noch einfache Wege bis zum Gletscher folgen. Gut, dann probieren wir es mal.

Ich steige erstmal ohne Rucksack vor und nehme unser Seil mit. Am Ende der Passage ist ein recht guter Fixpunkt mit zwei Keilen gebaut. Davor, an der eigentlichen Schlüsselstelle, hängt ein Hilfsseil was an einem etwa faustgroßen Stein befestigt ist, der wiederrum in einem breiteren Riss klemmt. So richtig stabil sieht das nicht aus.

Mit dem Seil baue ich eine Art Geländer, dem wir dann nach und nach mit den Rucksäcken hochsteigen. Das Ganze ist aber nur als Backup gedacht, falls jemand wirklich fällt. Und ob es dann hält bezweifle ich etwas. Aber am Ende sind wir alle vier gut oben angekommen, packen das Seil wieder ein und gehen weiter hoch zum Gletscher. Carlos und Ger haben schon wieder mal eine völlig neue Erfahrung in den Bergen gesammelt und Delphine und ich sind auch ein bisschen Stolz darauf, wie wir die beiden und uns stückchenweise höher bringen. Und falls wir hier wieder runter müssen, habe ich schon einen Platz gefunden, wo wir die Rucksäcke und evtl auch uns ein paar Meter abseilen und somit die unangenehme Kletterei umgehen können.

Das Ganze hat uns am Ende einiges an Zeit gekostet und als wir am Gletscher ankommen ist es schon fast Mittag. Carlos und Ger sind Intervallfaster. Sie frühstücken gar nicht und essen erst gegen Mittag ein Stück Obst und dann am Abend richtig. Bevor wir die Steigeisen anziehen und uns für den Gletscher fertigmachen, legen wir eine kleine Pause ein. Die beiden ihren Apfel, und wir haben noch ein Sandwich aus dem Brot von Marcello, dem Bäcker aus El Calafate. Hm, lecker.

Und dann geht’s los. Auf den Gletscher zu kommen bedeutet hier eine gr0ßen Schritt über die Randspalte zu machen. Also ca. 50 cm hoch und genauso weit nach vorne. Einfacher geht’s kaum. Und dann kommen für die beiden Venezuelaner die ersten Schritte auf dem Eis mit Steigeisen. Am Anfang geht das, wie zu erwarten, etwas wackelig los, aber bald haben sie es schon ganz gut raus. Ger lernt auch schnell, dass man es bitte tunlichst vermeidet mit den Steigeisen aufs Seil zu steigen. Ok, die Eisen sind alles andere als scharf und unser Seil schon ein robustes modernes Seil, das von einmal drauftreten nicht gleich beschädigt wird. Aber trotzdem, besser gleich drauf achten.

Ich gehe voraus, Delphine am Seil hinter mir und dann kommen Ger und Carlos. Eigentlich müsste Delphine ganz am Ende der Seilschaft gehen und die Neulinge zwischen uns, aber so können wir uns besser über die Routenwahl verständigen.

Der Gletscher ist komplett frei vom Schnee. Das heißt, die Spalten sind alle gut sichtbar und man kann sie umgehen oder überspringen Die Gefahr, in eine verdeckte Spalte zu fallen ist sehr gering. Eigentlich könnten wir auch ohne Seil gehen, aber es ist ja auch gleich eine gute Übung.

Zuerst geht es eine Weile bergauf, oben weitet sich dann langsam der Blick und wir können immer weiter nach links sehen. Irgendwo dahinten muss sich dann das Inlandeis zeigen. Wir kommen aber nur langsam vorwärts. Zu viert am Seil gehen will eben geübt sein und wir müssen zwischendurch auch ein paar Mal im Zickzack um einige Spalten herumgehen.

Delphine und mir wird dabei klar, dass die ganze Runde in der Kombination etwas zu riskant sein wird. Wir müssen schnell unterwegs sein um möglichst bei gutem Wetter rum zu kommen. Wenn hinten auf dem Inlandeis der Wind mit 150 km/h über das Eis fegt und kaum was zu sehen ist wird aus der schönen Wanderung ganz schnell eine richtig unangenehme und auch gefährliche Sache. Aber das große Eisfeld wollen wir auf jeden Fall gerne sehen.

Und je weiter wir hochkommen, desto mehr Gletscher sehen wir auch rundum. Und als wir um einen weit hoch reichenden Felssporn herumgelaufen sind, zeigt sich zum ersten Mal das gewaltige patagonische Eisfeld in seiner ganzen weißen Pracht. Unser Plan heute ist es entweder im Bereich des Paso Marconi auf dem Gletscher zu übernachten, oder das etwa 3 km weiter nördlich gelegene Refugio Eduardo Garcia Soto zu erreichen und dort zu schlafen. Nachdem wir den Plan der Umrundung aufgegeben haben, beschließen wir lieber noch ein paar km mehr zu laufen und dafür dann eine schöne Hütte als Unterkunft zu haben. Nach einem kleinen Verhauer, der uns nochmal 700 Meter Umweg kostet kommen wir dann auch um ca. 18 Uhr am Refugio an.

Am Refugio Soto

Und von hier haben wir jetzt eine richtig weiten Blick über das Eisfeld. Wir sitzen auf den Felsen vor der Hütte und können es kaum fassen wo wir hier sind. Es ist ein völlig unbeschreiblicher Ausblick, der mit absolut nichts vergleichbar ist, was wir sonst aus den Bergen bei uns oder anderswo in der Welt gesehen haben. Ein unglaubliches Gefühl hier sein zu dürfen und das Ganze auch noch bei Sonnenschein und wenig Wind.

Philipp hat vor zwei Tagen noch einen schönen Vergleich gemacht für alle, die Oberbayern ein bisschen kennen. Man stelle sich vor, man steht am Irschenberg und schaut in Richtung Alpen. Und die 25 km zwischen dem Irschenberg und den Alpen sind vollständig mit einer dicken Eisschicht bedeckt. Und die Berge dahinter zum größten Teil auch.

Ich hoffe, die Fotos können einen kleinen Eindruck dieses Ausblicks verschaffen. Beschreiben kann ich ihn nicht wirklich ausreichend.

Wir schaffen es dann irgendwann doch noch in die Hütte zum Kochen. Gegessen wird draußen mit dem grandiosen Ausblick. Auch von hier haben wir neben dem Blick über viele hundert Quadratkilometer Gletscher wieder einen schönen Blick auf Fitz Roy, Cerro Torre und auch den Cerro Pollone auf den Gebi mit seinem Kletterpartner heute steigen wollte. Das Wetter ist dafür auf jeden Fall perfekt.

Gegen zehn kommt noch eine Gruppe mit fünf Argentiniern an. Sie wollen die gleiche Runde über das Eis gehen, die auch wir ursprünglich geplant hatten. Sollen wir uns ihnen vielleicht anschließen? Delphine fragt nach, ob sie Informationen zum aktuellen Zustand des Gletschers unten haben. Sind die Spalten schön frei wie hier oben, oder eher verdeckt. Muss man viele Umwege gehen um große Spalten zu umgehen? Ist der Abstieg vom Gletscher im Moment einfach oder eher schwierig? Die Antwort ist recht einfach und lässt uns etwas ratlos zurück: „Wenn der Schnee grau ist, dann ist er alt. Wenn er weiß ist, dann ist er neu.“

Aha, so ist das also. Das ist eine Weisheit die ich bereits als Kind von meiner Mama gelernt habe. Und den Schnee darf man nicht essen. Meine Mutter war nie auf einem Gletscher, aber so viel konnte sie mir auch beibringen. Nur, was machen wir jetzt mit dieser Information?

Die Argentinier sind sehr nett, aber was sie über den Gletscher und von den Bergen erzählen kommt uns zum Teil etwas komisch vor. Also bleiben wir lieber bei unserem Plan, die Tour hier zu beenden und den gleichen Weg wieder runter zu gehen. Außerdem haben wir beschlossen, wenn wir schon mal hier sind, dann bleiben wir gleich für zwei Nächte auf der Hütte und genießen die Umgebung in vollen Zügen.

Als es draußen dunkel wird werden unglaublich viele Sterne sichtbar. Die Milchstraße steht direkt über dem Fitz Roy Massiv und ich komme so schnell noch nicht ins Bett. Das Ganze muss ich unbedingt noch ausgiebig fotografieren.

Am nächsten Morgen schlafen wir aus und sind erstaunt, dass auch unsere argentinischen Hüttenmitbewohner keine Eile haben und erst gegen halb zwölf losgehen. Das wäre auf einer Gletschertour in den Alpen undenkbar, weil der Gletscher einfach im Verlauf des Tages immer nässer und die Schneebrücken über die Spalten immer weicher werden. Aber gut, andre Länder, andere Sitten. Wir würden trotzdem eher zusehen, dass wir um sechs abmarschbereit sind.

Unser Plan für heute: Ein wenig die Umgebung der Hütte auskundschaften. Ohne dabei auf den Gletscher zu gehen wollen wir über die Moräne zum Ende eines anderen Gletschers der von weiter oben hier runterkommt. Von da oben erhoffen wir uns noch weitere schöne Ausblicke und außerdem möchte Carlos ein Stück reines Gletschereis zur Hütte zurückbringen. Er hat nämlich etwas von einem mehr als 20 Jahre alten Whiskey mit hochgebracht, den er heute Abend angemessen mit uns trinken möchte. Also auf reinstem Gletschereis.

Wir laufen über ein paar Schneefelder zur Moräne und steigen hier Stück für Stück höher, bis wir noch viel weiter in Richtung Norden sehen können. Da ist, wer hätte es gedacht, noch viel mehr Eis. Ganz gemütlich laufen wir heute ohne viel Gepäck rum und kommen am Ende auch wie gewünscht so nah an die Gletscherzunge heran, dass Carlos sich sein Eis abschlagen kann. Danach geht’s wieder zurück zur Hütte und wir genießen nochmal die Abendstimmung vor unserer Haustür. Mit den geplanten Zeitraffer Filmen von der Milchstraße über den Bergen wird es aber heute leider nichts. Es ist alles ziemlich mit Wolken verhangen. Aber bevor es dunkel wird ziehen noch viele Wolken recht spektakulär über das Eisfeld und vor den Bergen vorbei.

Wir genießen den Abend in der Hütte, die wir heute für uns alleine haben, und spielen nach dem Essen noch eine Runde Domino. Zum Abschluss gibt’s dann den versprochenen Whiskey auf Gletschereis.

Zurück nach El Chalten

Am nächsten Morgen heißt es leider dann wieder früh aufstehen und dann geht es wieder zurück auf den Gletscher. Die Sonne kommt heute erstmal nicht ganz so oft raus, aber wir genießen trotzdem die Wanderung zurück über den Gletscher. Durch einen weiteren kleinen Verhauer müssen wir zwischendurch nochmal ca. eineinhalb km zurück. Die Spalten um uns herum waren irgendwann dann doch etwas zu groß. Aber dafür bekommen wir dann noch ein paar schöne Blicke in größere Gletscherspalten.

Mittags sind wir wieder an der etwas komplizierteren Kletterstelle. Wir machen erstmal Pause und dann steigt Delphine ohne Rucksack ab – sie hat dafür auch eine etwas schönere Route gefunden – und ich lasse ihr die Rucksäcke am Seil runter. Ein paar Meter unter mir muss Carlos den Rucksäcken noch über eine Stufe helfen und dann kann Delphine sie unten entgegennehmen. Das Ganze dauert zwar eine Weile, aber dafür können wir dann recht entspannt die Wand runter kraxeln. Danach müssen wir hier und da nochmal bisschen nach dem Weg suchen, kommen aber rechtzeitig zum Abendessen bei unserem Zeltplatz bei dem wir schon im Aufstieg übernachtet haben.

Am nächsten Tag geht es dann den bekannten Weg runter zur Tirolesa, dort relativ schnell rüber – unsere Begleiter lernen schnell – und dann wieder die 12 km aus dem Tal hinaus.

Am Ende wird es zwar irgendwann nochmal bisschen zäh, aber dank guten Gesprächen miteinander vergehen auch die letzten Kilometer letztlich ganz schnell und gegen sechs sind wir wieder bei Pedro.

Und sind wir jetzt enttäuscht, weil wir die Runde nicht ganz gehen konnten? Nein. Es war eine unglaublich schöne Tour da hoch mit Ausblicken die wir nie wieder vergessen werden. Außerdem war es für Delphine und mich eine schöne Erfahrung unseren Begleitern den Aufstieg zum Gletscher und den Weg über den Gletscher zu ermöglichen. Und die beiden sind auch sehr glücklich über ihre ersten Erfahrungen auf dem Gletscher.

Das einzige was noch schön wäre: Zumindest ein paar Kilometer direkt auf dem Inlandeis laufen und den Circo de los Altares zu erreichen. Das wäre nach dem Refugio Soto der nächste Übernachtungsplatz gewesen. Er liegt direkt unterhalb des Cerro Torre und bietet wohl eine unvergleichliche Aussicht auf die zirkelförmig angeordneten Granitspitzen des Cerro Torre und seiner Nachbarn. Und auf der anderen Seite ist dann das Eis. Ganz, ganz viel Eis. Als Carlos mir am Rückweg vorschlägt, es nochmal von der anderen Seite zu versuchen bin ich erstmal skeptisch. Aber auf dem Huemul Trek könnten wir den Zustieg zum Gletscher schon mal auskundschaften und wenn wir auf dem Gletscher Probleme bekommen können wir umdrehen und den bekannten Weg zurücknehmen. Nachdem wir einen Tag zurück sind reift das Ganze für uns schon wieder zu einer Idee heran.

Aber erstmal ist Erholung angesagt. Die nächsten Tage ist eh schlechtes Wetter angesagt und wir wollen uns ausruhen und arbeiten. Also Bilder bearbeiten, Videos sichten, Blogeinträge schreiben. Ich will mich mit Gebi treffen um zu erfahren wie es den beiden auf ihrer Klettertour ergangen ist und außerdem habe ich eine anständige Erkältung und Delphine eine ziemlich große offene Blase am Fuß.

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  1. Hallo Raphael, ganz liebe Grüße aus Lünen von Claudia, Finn und Volker. Über deine Mutter Renate habe ich von deiner Homepage erfahren und bin fasziniert von deinen Reiseberichten und deinen unglaublich tollen Bildern. Wie lange seid ihr noch unterwegs und wo soll es hin gehen? Wir wünschen euch weiterhin eine schöne Zeit und bleibt gesund und fröhlich. Liebe Grüße von uns 👨‍👩‍👦

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