Torres del Paine

Torres del Paine

Puerto Natales

„Geht ihr das O oder das W?“ „Äh, keine Ahnung. Um was geht’s?“

Jeder der nach Patagonien kommt will die Torres del Paine sehen. Ich habe mich im Voraus kaum damit beschäftigt und werde daher völlig unvorbereitet mit der obigen Frage konfrontiert. Für mich ist Patagonien vor allem die Gegend des Fitz Roy und des Cerro Torre. Diese beiden Berge möchte ich unbedingt sehen und auch möglichst nah an sie rankommen. Von den Torres del Paine habe ich natürlich auch schon gehört, das ganze Gerede hat mich aber eher abgeschreckt als besonders motiviert dorthin zu gehen-

So wussten wir also vor Beginn unserer ersten Reise nach Südamerika nicht, dass es sich bei den zwei größeren Mehrtagestouren im Nationalpark um das sogenannte O, also die Umrundung des Massivs im Norden und das W, eine Route südlich des Massivs mit zwei Abstechern zu den zwei berühmten Miradores Britanico und Base Torres handelt. Und dann gibt es natürlich noch die Option beide Touren aneinander zu hängen. Das nennt sich dann Marcizo.

Der Haken an der Sache: Nachdem die Torres del Paine inzwischen scheinbar überall auf der Welt bekannt sind kommen einfach mehr Menschen als der Park verkraften kann. Deshalb wurden die Regeln für den Zutritt zu den Touren sehr verschärft und man muss bevor man eine Tour macht sämtliche Übernachtungsplätze gebucht haben. Das ist an und für sich sehr richtig und gut, aber hat auch zur Folge, dass man die Touren im Idealfall mit sechs bis zwölf Monaten Vorlauf buchen soll. Aber wie soll ich denn solange im Voraus wissen wie das Wetter ist? Ich will schließlich nicht bei Regen und Wind eine Mehrtagstour machen. Ok, wir sind in Patagonien, da kann ich auch zwei Tage vorher nicht so genau wissen wie das Wetter wird, also fällt dieses Argument wohl weg. Trotzdem wussten wir nicht, wie lange es dauern würde, bis wir Pedro wieder reisebereit haben und konnten dementsprechend nicht so lange im Voraus planen. Also haben wir einen anderen Plan: Wir wollen uns einfach in Puerto Natales informieren, welche Möglichkeiten wir haben.

Grundsätzlich kann man die Übernachtungen im Park auch alle online buchen. Das Problem dabei ist, das die Campingplätze im Park – und nur hier darf man auf den Wandertouren übernachten – von drei verschiedenen Betreibern angeboten werden und auch drei völlig unterschiedliche Buchungssysteme haben Der ganze Park wird von der CONAF überwacht. Das ist die staatliche Behörde die für den Betrieb und die Überwachung der Nationalparks in Chile zuständig ist. Die CONAF ist auch Betreiber einiger der Campingplätze im Park. Daneben gibt es aber auch noch zwei private Grundstücksbesitzer im Park, die einige der weiteren Plätze betreiben. Um die ganze Tour um und zu den Torres zu gehen muss man bei mindestens zwei der Anbieter Plätze reserviert haben. Und das natürlich zu den richtigen Zeiten. Leider sind die Möglichkeiten online extrem unübersichtlich und umständlich zu bedienen wovon einige Agenturen profitieren die die Buchungen vollständig für ihre Kunden übernehmen und sich das auch entsprechend zahlen lassen. Wir sind aber nicht bereit pro Person mehr als 1000 Euro zu bezahlen, nur um ein paar Tage mit hundert anderen Menschen eine Wanderung durch die Berge zu machen. Also müssen wir es wohl anders schaffen. Oder lieber gar nicht.

In Puerto Natales gehen wir dann erstmal direkt zum Büro der CONAF um uns hier schon mal zu informieren. Hier erfahren wir, das sämtliche Campingplätze der CONAF im Moment wegen Renovierung geschlossen sind. Dann bleiben uns also noch die anderen beiden Betreiber. Zum Glück haben auch diese jeweils ihre Büros in Puerto Natales. Im Büro von Fantasticosour erfahren wir, dass sie am Campo Frances nur noch eine Nacht in einem Mietzelt für stolze 64 US Dollar pro Person anbieten können. An Heiligabend. Unser Wunschtermin wäre der nächste Tag gewesen. Aber dann halt einen Tag eher. Als nächstes geht es zu Vertice, dem anderen Anbieter, Hier können wir tatsächlich auch die anderen Nächte passend buchen. Am Campo Grey ist leider kein Zeltplatz mehr frei, aber eine Nacht im Sechsbettzimmer im Refugio. Ohne Abendessen und ohne Frühstück zum Schnäppchenpreis von 92 US-Dollar pro Person. Na gut, wenn wir schon mal hier sind, dann leisten wir uns halt mal eine Hüttennacht. Letztlich haben wir mit weniger als einer Woche Vorlauf alle Nächte für die große Runde, also das O und das W buchen können. Das ist ja schon mal nicht so schlecht. Außerdem erfahren wir, dass wir am Ausgangspunkt der Tour nicht nur Pedro für die sieben Tage parken können, sondern auch dort in Pedro übernachten dürfen. Und das sogar umsonst.

Dann kann’s ja losgehen. Wir kaufen reichlich Essen ein. Wir brauchen zum einen Verpflegung für die Tour und zum anderen wollen wir vorher noch ein paar Tage mit Pedro und auf einzelnen Tageswanderungen den Nationalpark erkunden. Auf unseren diversen Erkundungsgängen durch die Stadt haben wir außerdem einen unverschämt guten Konditor entdeckt, der quasi ohne alles sehr gute Kuchen und Muffins macht. Also zumindest ohne Gluten, ohne Zucker und ohne Tiere. Also vegan. Die Sachen die er anbietet sind so lecker, das wir beschließen uns einen kleinen Vorrat mitzunehmen und bis zum Beginn der Wanderung jeden Tag einen lecker Muffin zu essen. Schließlich ist bald Weihnachten und ich muss das erste mal in meinem Leben ohne die lecker Kekse zuhause bei Mama Weihnachten feiern. Naja fast, eine kleine Ration haben wir dabei.

Nachdem alle unsere Vorräte gepackt sind kann es losgehen in Richtung Nationalpark. Wir sind sehr gespannt. Der Park ist auf jeden Fall wunderschön und wir hoffen auf viele schöne Ausblicke und auf eine schöne Mehrtagestour durch die Berge. Aber gleichzeitig bin ich auch skeptisch. „The Hike of your life“ soll das sein. Die Tour deines Lebens. Waren die schon mal in den Westalpen? Oder in den Pyrenäen?

Wir fahren gespannt von Puerto Natales aus in Richtung Nationalpark Torres del Paine.

Mit Pedro durch den Nationalpark

Vier Tage vor Beginn unserer großen Wanderung fahren wir in den Park. Man darf mit dem Wohnmobil im Park an fünf Punkten offiziell kostenlos übernachten. Dazu gibt es noch zwei private Campingplätze und den Parkplatz, von dem aus wir die Tour starten. Also alles in allem eine ganze Reihe von Optionen auch mit Pedro im Park unterwegs zu sein und an unterschiedlichen Plätzen Station zu machen und den Park dann auch zu Fuß zu entdecken.

Wir entscheiden uns dazu, zunächst ans Südende des Lago Grey zu fahren. Von da aus gibt es eine kleine Tour zum Mirador Ferrier. Überhaupt werden die nächsten Tage von den verschiedensten Miradores geprägt. Es gibt sehr viele verschiedenen Aussichtspunkte im Park die teils direkt mit dem Auto und teils nur zu Fuß mit kleineren Wanderungen erreicht werden können.

Zum Mirador Ferrier sind es ca. 600 Höhenmeter. Also eineinhalb gemütliche Stunden nach unserer Einschätzung. Aber Achtung: Man muss sich bei den Rangern registrieren und dabei erfahren wir, dass der Weg nur bis 12:00 Mittags offen ist, danach darf keiner mehr hoch. Sicherheit und so. Also gut, dann gehen wir halt heute mal zum See und lassen das ganze langsam angehen. Wir machen einen schönen Spaziergang am Lago Grey. Hier gibt es erste Ausblicke zum Grey Gletscher, an dem wir in einer Woche noch entlangwandern werden. Der Gletscher mündet am Nordende des Lago Grey in den See und auch hier am Südende sind noch einige recht eindrucksvolle Eisblöcke die vom Gleitscher abgebrochen sind im See. Wir haben ein paar schöne Ausblicke auf den Gletscher und die Cuernos del Paine. Die Hörner. Zwei imposante Felsblöcke im Süden des Bergmassivs. Am nächsten Morgen gehen wir dann die Tour zum Mirador Ferrier erneut an. Mit vier bis sechs Stunden müssten wir rechnen und wenn wir welche haben müssen wir unbedingt Wanderstöcke mitnehmen. Der Weg ist nicht einfach. So die Auskunft der Rangerin am Anfang der Tour. Wir haben Wanderstöcke, wir nehmen sie aber nicht mit. Der Weg ist im großen und Ganzen recht einfach und wir sind wie geschätzt nach eineinhalb Stunden oben. Aber unterwegs treffen wir auch Gruppen die extrem langsam sind und verstehen die Vorsicht der Ranger im Bezug auf die Wanderer. Woher sollen sie auch wissen, wer schon bisschen Erfahrung in den Bergen hat und wer seit Jahren nicht mehr weiter als bis zum nächsten Kiosk gelaufen ist. Wir werden die nächsten Tage im Park noch öfter über diese Thematik diskutieren. Die vielen Regeln im Park sind wichtig um die Besucherströme zu lenken und man will natürlich tunlichst vermeiden, dass Unfälle passieren. Gleichzeitig strömen jeden Tag hunderte von teilweise extrem unerfahrenen und langsamen Wanderern den Wanderweg zum Base Torres, dem berühmtesten Ausblick auf die Türme hinauf. Und der ist zwar nicht schwierig, aber immerhin sind es in Summe doch 23 km und knapp tausend Höhenmeter die man bewältigen muss um da hoch zu kommen.

Aber bevor wir so weit sind haben wir noch ein paar Tage. Der Mirador Ferrier bietet uns einen schönen Ausblick zum Grey Gletscher und auf das Bergmassiv mit dem etwas über dreitausend Meter hohen Paine Grande der sich nur selten in voller Höhe zeigt und auch zu den Cuernos. Die Torres verstecken sich von hier aus noch dahinter. Außerdem sehen wir zum ersten Mal auch den schönen Lago Nordenskjöld der sich türkis schimmernd im Süden des Bergmassivs erstreckt. Und, man darf ihn nicht vergessen, der Wind. Am Monte Tarn hatten wir ja schon ganz ordentlich Wind, aber auf dem Mirador Ferrier kann ich mich auch mal so richtig weit nach vorne in den Wind lehnen ohne umzufallen. Die Gleitschirme werden wir wohl so bald noch nicht auspacken.

Am Abend fahren wir weiter bis zum Lago Pehoe. Hier gibt es einen schönen Campngplatz an dem wir eine Nacht bleiben. Beim Aussteigen vor der Rezeption kommt von hinten ein Mini Wirbelsturm an der mich kurzfristig komplett in Staub einhüllt. Ich kann die Beifahrertür gerade noch zumachen, aber am Ende ist innen auch eine Menge Staub und kleiner Steine. Der Platzbetreiber und sein Kumpel lachen, als sie sehen, dass mir sonst nichts fehlt. Vor zwei Wochen hat eine deutlich stärkere Böe einen Camper wie unseren einfach umgeworfen erzählen sie. Und tatsächlich gibt es ein paar Plätze im Park, bei denen davor gewarnt wird einen Camper länger zu parken, da hier immer wieder Campingbusse umgeworfen werden oder bei Windböen von über 150 km/h auch mal Scheiben von rumfliegenden Steinen zerstört werden.

Aber heute ist das Ganze nicht so schlimm. Wir finden einen schönen Platz mit Blick auf die Cuernos im Sonnenuntergang und kommen vor lauter Fotografieren erstmal gar nicht zum Kochen.

Am nächsten Tag geht’s weiter zum Mirador Condor, einer Mini Bergtour mit viel Wind oben am Gipfel (es wiederholt sich) und danach zum Mirador Cuernos. Nein, keine Bergtour, aber ein sehr schöner Wanderweg der am Anfang noch den Salto Grande zu bieten hat. Einem sehr schönen Wasserfall der die Verbindung vom Lago Nordenskjöld mit dem tiefer gelegenen Lago Pehoe ist. Danach geht es entlang verschiedener Buchten zu besagtem Mirador der einen sehr schönen Blick über den See zu den Cuernos bietet. Um nicht wieder nur vom starken Wind zu reden haben wir diesmal einen Windmesser mitgenommen. Als wir ankommen fegen schon einige anständige Böen über den Strand. Man kann sie immer schon vorhersehen wie sei über den See ankommen. Und siehe da. Der Windmesser kommt auf Geschwindigkeiten von knapp 90 km/h. Also nicht gefährlich, aber doch beeindruckend.

Am Abend fahren wir zur Laguna Amarga. Hier ist ein anderer Eingang zum Nationalpark und eine weitere Möglichkeit kostenlos über Nacht an einem schönen Fluss zu stehen.

Am nächsten Morgen fahren wir zum größten Rummelplatz im Park. Dem Las Torres. Von hier aus gehen täglich hunderte Wanderer los zum Mirador Base Torres und auch zu den beiden Mehrtageswanderungen. Hier gibt es nicht nur einen großen Parkplatz, sondern auch einen zwei Campingplätze, ein Refugio und ein Hotel. Alles verstreut über eine Strecke von ca. 1,5 km. Am Parkplatz gibt es außerdem noch das sogenannte Willkommenscenter. Ein langgestreckter Bau mit ein paar Informationsmöglichkeiten und dem Verkauf von Snacks, Gasflaschen, Wandersocken und Bier. Außerdem gibt es einen Fernseher. Nicht unbedingt nötig, aber heute ist das Endspiel der Fußball WM. Und immerhin spielt Frankreich gegen Argentinien. Die Chilenen sind ganz klar für ihre Nachbarn. Delphine gibt sich lieber gar nicht als Französin zu erkennen. Nach der ersten Halbzeit überwiegt dann auch doch der Hunger und wir gehen zu Pedro um uns was zu Essen zu machen. Wenn es doch noch spannend wir können wir ja später noch weiterschauen. Aber bei 2:0 für Argentinien scheint die Sache ja dann schon fast geklärt zu sein. Gegen Ende der zweiten Halbzeit schau ich nochmal kurz beim Fernseher vorbei. Und siehe da, alle sind ganz aufgeregt. Die Franzosen haben gut aufgeholt und es wird wohl doch auch für uns Fußballmuffel noch spannend. Wir kommen also kurzerhand mit unserem Essen wieder und schauen noch bis zu Ende.

Eine Fußball WM in der Wüste und noch dazu unter diesen Umständen ist sicherlich völliger Blödsinn, aber das Endes dieses Spieles war trotzdem spannend und die Freude der Chilenen über den Sieg ihrer Nachbarn war sehr schön zu sehen.

Der Trek um die Torres

Tag eins und zwei, über das Camp Seron zum Lago Dickson

Aber wir müssen jetzt an unseren Sport denken. Ab Morgen wollen wir sieben Tage wandern. Es soll zwar unterwegs Verpflegung zu kaufen geben, aber was genau wissen wir nicht. Und auch nicht zu welchen Preisen. Also packen wir Essen, Kleidung und Campingausrüstung für sieben Tage in unsere Rucksäcke. Die sind am Ende schwer, aber das geht schon. Nur muss ja auch noch die Fotoausrüstung mit. Die Kamera mit meinem Standardobjektiv steht eh außer Frage. Die kleine Actionkamera wiegt ja fast nix und ist zum Filmen so praktisch. Also kommt die auch mit. Ein anständiges Weitwinkel darf auch nicht fehlen. Tele? Naja, wenn der Puma oder der Kondor in Sicht sind möchte ich nicht ohne Teleobjektiv dastehen. Aber ich will vernünftig bleiben. Nicht das große 600 mm und auch nicht das lichtstarke 2.8er. Ich begnüge mich mit einem kleineren 70-300mm Objektiv. Dazu noch Ersatz Akkus und Powerbank für die Stromversorgung und für alle Fälle das Stativ. Jetzt hat der Rucksack halt doch fast 25 Kilogramm. Ohne Wasser. Vernünftig ist das nicht. Immerhin werden wir am Ende knapp 100 km und über 3000 Höhenmeter damit laufen. Aber probieren kann man es ja mal. Die nächsten Tage verfluche ich mich gelegentlich für meine Entscheidung und freue mich aber auch immer wieder über die Möglichkeiten die mir meine Fotoausrüstung bietet. Trotzdem sollte es in Zukunft eher etwas weniger werden.

Am nächsten Tag schlafen wir nochmal schön aus und starten dann gegen Mittag die erste Etappe die uns heute zum Campo Seron führen wird. Mit ca. 14km und wenigen Höhenmetern ist das ein überschaubarer Anfang. Aber die Schultern leiden dann nach ein paar Stunden doch unter dem hohen Gewicht. Aber das schöne ist: es wird jeden Tag um ein Frühstück, einige Nüsse und Trockenfrüchte und ein Abendessen leichter. Also wird sicher alles besser.

Die Strecke ist sehr schön und führt durch schöne Wälder bis zum Tal des Rio Paine. Unten im Tal geht es am Fluss entlang über schöne Wiesen mit Tausenden von Margeriten. Ich habe noch nie so viele von diesen Blumen auf einmal gesehen. Dazwischen immer wieder ein paar Pferde und erst am Ende begegnen wir den ersten anderen Wanderern. Nachdem alle die gleiche Tour machen und die gleichen Übernachtungsplätze haben werden wir mit der Zeit einige der anderen Wanderer immer wieder treffen und zum Teil auch etwas näher kennen lernen.

Der Campo Seron ist auf einer hübschen Wiese im Tal. Es gibt eine Holzhütte in der die Rezeption ist und auch ein kleiner Kiosk mit ein paar Snacks, Pizza oder Burger – für rund 20 Euro das Stück – und vor allem Bier. Und noch eine Überraschung: Es gibt hier sogar Duschen und am Abend sind die auch warn. Davon hatten wir zwar gehört, es aber nicht so recht geglaubt. Aber gut, wenn sie schon mal da sind, dann kann man sie auch nutzen. In Pedro haben wir zwar eine Dusche, nutzen sie aber auf Grund des Verbrauchs von Wasser und Gas nur ganz selten. Ein Waschlappen und kaltes Wasser sind also im Moment eher unser Standard für die Körperhygiene. Da können wir so eine warme Dusche natürlich nicht auslassen.

Beim Essen kochen lernen wir gleich noch ein paar der anderen Wanderer kennen, mit denen wir die nächsten Tage unterwegs sein werden. Und auf der Zeltwiese finden wir eine bunte Sammlung von leichten und ultraleichten Zelten aller möglicher Bauarten. Unsere Nachbarn haben ein Zweimannzelt aus Dynema was etwas mehr als 500 Gramm wiegt. Sowas kannte ich bisher nur aus dem Shop von Chrispacks.

Sorry lieber Leser, aber ein bisschen Werbung muss hier auch mal sein. Wer so eine Tour mit deutlich weniger Gewicht auf dem Rücken machen möchte, dem kann ich einen Besuch bei www.chrispacks.com im Internet oder ganz real in Fischbachau empfehlen. Da gibt es alle Varianten von super leichten Zelten und anderen tollen Sachen mit sehr fachkundiger Beratung vom Chef persönlich.

Delphines 10 Jahre altes Zelt mit seinen 1,5 Kilogramm gehört hier auf jeden Fall schon eher zu den schwereren Kalibern.

Der Checkout am Camping ist am nächsten Morgen um 9:30. Wir schaffen es nicht ganz und laufen erst um kurz nach zehn als letzte vom Camping los. Kaum sind wir 50 m gelaufen liegt vor uns am Boden eine Tüte mit Toastbrot. Die hat wohl einer unserer Mitwanderer nicht so gut an seinem Rucksack befestigt. Na gut, wir tragen sie für ihn und dafür essen wir sie dann auch. Die Mittagsbrotzeit ist also schon mal gesichert. Geplant waren eigentlich nur Nüsse und Trockenfrüchte.

Die Wanderung geht weiter am sehr schönen Rio Grande entlang der hier schön blau-türkis durch das Tal mäandert. Dann kommt ein kleiner Pass und von oben sehen wir schon den Lago Paine und weiter hinten einige vergletscherte Berge. Auch unseren weiteren Weg für heute können wir schon sehen. Es geht vom Pass runter und durch eine weite Ebene mit Wald und Wiesen zu Lago Dickson. Dazwischen kommt noch die Kontrolle der CONAF. Hier muss sich jeder registrieren der weiter nach hinten in den Park will und man muss auch seinen Buchungen für die folgenden drei Übernachtungen vorweisen, sonst kommt man nicht weiter.

Am Ende der heutigen Etappe mit ca 18 km geht es nochmal ein Stück hoch und dann sehen wir auch schon eine schöne Halbinsel im Lago Dickson auf der auch unser nächstes Camp ist. Am Ende des Lago Dickson sehen wir außerdem schon einen schönen Gletscher, der in den See mündet. Es ist ein Teil des großen patagonischen Innlandeises, das sich von hier weit über 100 km in Richtung Norden erstreckt.

Danach kommt wieder der übliche Checkin und vor dem Kochen gönnen wir uns noch ein Bier und eine Packung Chips. Das bekommt ja nicht alle Tage so mitten in der Pampa. Nach einer kleinen Fotosession mit unseren Puppen am See wird dann gekocht und ins Bett gegangen. Morgen haben wir nur 11 km und ein paar Höhenmeter. Also ein kurzer Wandertag. Dafür kommt übermorgen die angeblich härteste Etappe über den Paso John Garner.

Tag drei und vier, vom Lago Dickson über los Perros zum Refugio Grey

Als der Wecker klingelt regnet es draußen. Na gut, dann bleiben wir halt noch ein bisschen liegen. Aber bald bekommen wir von draußen mit, dass das Wetter wohl bald besser werden soll. Also stehen wir auf, machen erstmal unser übliches Frühstück: Zwei Tassen Haferflocken mit drei Tassen heißem Wasser und ein paar Nüssen, Trockenfrüchten und Honig und dazu ein Liter Tee. Danach ist der Regen vorbei und es wird langsam schöner. Wir packen das Zelt etwas feucht ein – es wird ja eh heute Abend wieder aufgestellt – und gehen los. Langsam kennen wir auch schon einige unserer Mitwanderer. Allan, von dem wir erst überzeugt ist er ist wie fast alle anderen hier aus den USA. Der Name und sein ziemlich perfektes Englisch sprechen dafür, aber es stellt sich heraus, dass er Italiener ist und aus Turin kommt. Außerdem ist eine nette Familie aus Los Angeles mit unterwegs. Vater und Sohn sind öfter auch auf sehr langen Touren unterwegs und die Tochter (16) träumt davon bald mal den PCT vom Süden der USA bis ganz in den Norden zu laufen.

Außerdem ist da noch Rory, der witzige Kanadier und Jores und Lea aus Israel. Und natürlich eine Menge anderer Wanderer mit denen wir teilweise unterwegs und teilweise in den Camps ins Gespräch kommen. Später lernen wir außerdem noch Hamed aus dem Iran kennen.

Auch ein spanisch sprechendes Pärchen sehen wir immer wieder. Die beiden haben jeder ein Plüschtier am Rucksack. Er Joda aus Starwars und sie eine Gurke mit Gesicht. Und sie haben im Gegensatz zu fast allen anderen auch richtiges Essen dabei und keine Gefriergetrocknete Nahrung. Aber die beiden, Carlos und Ger, werden wir erst nach der Tour näher kennen lernen.

Heute geht es also recht gemütlich durch ein bewaldetes Tal hoch zum Camp los Perros am gleichnamigen Hängegletscher der in den gleichnamigen See mündet.

Die Etappe vergeht relativ schnell und unspektakulär bis sich am Ende nach einem natürlichen Staudamm aus Schotter der See mit dem darüber hängenden Gletscher zeigt. Eine recht Eindrucksvolle Erscheinung. Zumal ich nicht verstehe wir das ganze Eis da oben überhaupt hält.

Am Campo los Perros müssen wir uns wieder bei einem Guardaparque – also einem Parkranger – der CONAF registrieren. Der ermahnt uns auch morgen nicht nach 7:00 loszugehen. Danach ist der Trail gesperrt. Er empfiehlt uns sogar noch eher zu starten, weil es ab 9 Uhr morgens an den ganzen Tag regnen soll. Schade. Nach dem Paso John Garner werden wir oberhalb vom Grey Gletscher wandern, den wir schon ein paar Tage vorher von der Ferne bestaunt haben. Hoffentlich bekommen wir ihn überhaupt aus der Nähe zu sehen.

Wir sehen also zu, dass wir nicht zu spät ins Bett kommen und stellen den Wecker auf fünf Uhr. Gar nicht unsere Zeit. Und wir glauben auch nicht, dass die morgige Etappe wirklich so schwer wird und 11 Stunden reine Gehzeit benötig wie es auf der Karte der CONAF vermerkt ist. Aber wir wissen auch nicht genau wie anspruchsvoll das Gelände sein wird. Als wir aufstehen marschieren tatsächlich auch schon die ersten um uns herum los. Wir frühstücken, machen uns fertig und laufen um kurz vor sieben los.

Es geht noch ein Stück durch den Wald das Tal hoch und dann mehr und mehr über Schotterwege in Richtung Pass. Hier ist endlich wieder mal unser Gelände. Im flachen Kilometer um Kilometer zu machen sind wir nicht so gewöhnt, aber über Stock und Stein den Berg rauf, das läuft einfach gut. Dementsprechend bin ich auch schon nach etwas über zwei Stunden am Pass und komme gerade noch hoch, bevor der versprochene Regen dann so richtig einsetzt. Oben ziehe ich mir schnell meine Regensachen an und freue mich mit den anderen um mich herum, dass wir da sind. Weiter hinten kann man im Dunst auch den Grey Gletscher etwas sehen.

Heute ist der 22 Dezember. Mein Vater wäre heute 82 Jahre alt geworden. Er war auch viel und gerne in den Bergen unterwegs, deshalb bekommt er zum Geburtstag, Sauwetter hin oder her, ein schönes Steinmanderl am Paso John Garner. Kurz danach kommt dann auch Delphine, die sich vernünftigerweise schon weiter unten ihre Regensachen angezogen hat und wir machen mit fast tauben Fingern ein paar Fotos bevor wir zusehen, dass wir weiter runterkommen. Und siehe da, kaum sind wir etwas abgestiegen wird das Wetter schon wieder etwas besser und der Dunst über dem Gletscher klarer. Wir laufen gut gelaunt durch viel Schotter runter und genießen die immer schöner werdenden Ausblicke auf den Gletscher.

Weiter unten wieder in einen schönen grünen Urwald. Einen so grünen Wald oberhalb eines Gletschers habe ich noch nicht gesehen. Die Ausblicke zwischen den Bäumen auf den wild zerrissenen türkisen Gletscher sind immer wieder beeindruckend. So geht es weiter bis zum Campo Paso. Das ist eins der Camps der CONAF die gerade renoviert werden. Aber außer ein paar Wanderern ist da niemand. Wir registrieren uns wieder in dem ausgelegten Buch und machen Mittagspause. Bevor es weitergeht bekommen wir noch einen super leckeren Kaffee mit Kardamom von Jores aus Israel. Wo er in Chile so einen guten Kaffee bekommen hat fragen wir ihn. Gar nicht, er hat ihn aus Israel mitgebracht. Aber Kaffee mit Kardamom müssen wir auch mal machen. Damit könnte man eventuell auch den miserablen Kaffee den wir noch in Pedro haben etwas aufbessern.

Der weitere Weg zum Campo Grey geht abwechselnd durch den Wald oder durch freies Gelände oberhalb des Gletschers entlang. Die Sonne lässt sich kaum blicken heute, aber die Ausblicke über den Gletscher sind auch ohne sehr, sehr schön. Einige Kilometer vor dem Camp gibt es auch noch drei sehr lange und spektakuläre Hängebrücken. Von den Brücken aus hat man einen freien Blick zum Gletscher und als ich einige Meter vom Ende der Brücke aus den Berg hoch klettere habe ich einen gigantischen Blick über die Brücke zum Gletscher. Und freundlicherweise kommen auch gleich ein paar Wanderer aus unserer Truppe und stellen sich mir gezwungenermaßen als Fotomodels auf der Brücke zur Verfügung.

Das Campo Grey, das heute unser Ziel ist, kann von der anderen Seite relativ einfach mit dem Boot erreicht werden. Die Runde die wir machen darf aber vom Campo Seron – wo wir am ersten Tag übernachtet haben – bis zum Campo Paso – von dem wir gerade kommen – nur in einer Richtung begangen werden. So bekommen wir nach vier Tage hier auch zum ersten Mal wieder andere Menschen als die unserer Wandergruppe zu sehen. Und vor allem welche, die uns entgegenkommen. Die Zivilisation kann also nicht mehr so weit sein. Und tatsächlich, das Campo Grey, bei dem wir ja auch eine sehr teure Hüttennacht buchen mussten, ist nicht nur größer als die bisherigen, es hat auch ein großes Restaurant in dem laute Musik läuft und mehrere Fernseher allen möglichen Kram zeigen. Also gut, wir beziehen unsere Stockbetten in der Hütte, genießen mal wieder eine warme Dusche – im Campo los Perros gab es nur Kaltwasser wie auf einer richtigen Berghütte – und gönnen und heute gleich jeder ein ganzes Bier. Schließlich war das ja heute die schwerste Etappe bisher.

Als wir wieder in unser Zimmer kommen ist das Fenster auf und es riecht nach Duftspray. Hm, ich fürchte unsere Zimmernachbarn aus Chicago haben den Duft von vier Tagen wandern, den vor allem meine Schuhe ausbreiten als Gestank missverstanden. Kann ich ja ehrlich gesagt auch verstehen. Aber im Gegensatz zu den Hütten die wir von zuhause kennen gibt es hier leider keinen extra Trockenraum für die Schuhe.

Fünfter Tag, von Refugio Grey nach Paine Grande

Am nächsten Tag haben wir nur ca. dreieinhalb Stunden bis zum Campo Paine Grande zu laufen. Wir schlafen also wieder mal etwas länger, gehen noch zum Lago Grey runter und starten dann gegen Mittag mit einer Mischung aus Sonne und Wolken die heutige Etappe. Der Weg führt heute durch eine schöne Hügellandschaft erst am Lago Grey entlang und dann weiter an verschiedenen kleinen Seen wieder mal zum Lago Nordenskjöld. Wir machen wieder viele Fotopausen und erleben an einem der höheren Aussichtspunkte unsere bisher stärksten Windböen. Hier ist es tatsächlich langsam schwierig noch kontrolliert geradeaus zu gehen. Und beim Fotografieren muss man schon ein bisschen aufpassen, dass das Bild trotz ausreichend kurzer Belichtungszeit nicht verwackelt.

Am Campo Paine Grande ergattern wir noch einen Zeltplatz im Windschatten eines Hügels. Für richtig starken Wind ist unser Zelt nicht gedacht. Und außerdem ist es mit über zehn Jahren auch nicht mehr ganz neu. Aber den Wind brauchen wir gar nicht. Als ich die Abspannleine spanne macht es plötzlich knack und die Zeltstange ist gebrochen. Mist. Wir flicken sie mit Hilfe der üblichen Reparaturhülse aus Alu, die wir zum Glück dabeihaben und spannen sie erneut. Als wir später vom Essen zurück kommen ist sie wieder kaputt. Direkt neben der alten Bruchstelle. So ein Glump. Was nun? Wir verbinden die Bruchstelle mit viel Tape und spannen die Stange mit zwei Schnüren zwischen dem Innenzelt und dem Außenzelt in Richtung Apsiden. Diese Konstruktion hält und ich bin schon auch ein bisschen stolz auf diese Lösung. Ich bin mir sicher, dass das Zelt jetzt stabiler im Wind steht als vorher. Und es hält die nach auch problemlos durch. Nur zusammenlegen kann man die Stange leider nicht mehr so schön. Naja, die letzte Nacht auf der Tour müssen wir ja ohnehin in einem gemieteten Zelt schlafen.

Sechster Tag, Heiligabend am Mirador Britanico

Am nächsten Morgen verabschieden wir uns von Hamed, einem sehr netten in den USA lebenden Iraner und marschieren los in Richtung Campo Frances. Wir haben uns für heute eine etwas längere Etappe vorgenommen. Das erste Ziel ist das Campamiento Italiano. Dort wollen wir, sofern das Wetter gut ist, einiges von unserem Gepäck deponieren und zum Mirador Britanico aufsteigen. Einem der zwei bekanntesten Aussichtspunkte des W-Trecks. Vom Campamiento Italiano sind es dann am Ende nur noch zwei Kilometer zum Camp Frances, wo wir heute Abend unser gemietetes Zelt beziehen können. Aber bis dahin sind es insgesamt noch etwas mehr als 20 km und ca. 1000 Höhenmeter hoch und wieder runter.

Der Weg zum Campo Italiano führt durch eine schöne Hügellandschaft mit einigen Seen und Flüssen. Das Wetter wird nach und nach immer schöner und wir hoffen, dass am Nachmittag die Sonne scheint und gute Sicht ist, damit wir zum Mirador Britanico aufsteigen und dort auch was von den schönen Bergen sehen können.

Als wir am Camp ankommen ist das Wetter super und es sind schon mindestens 50 große Rucksäcke in einem extra dafür vorgesehenen Regal vor der Rangerstation gelagert. Ich frage vorsichtshalber nochmal einen der Ranger, ob er den aktuellen Wetterbericht kennt. Er meint, heute wäre es perfekt für den Mirador Britanico. Die Sicht ist gut und die Wolken, die über dem Gipfel des Monte Paine Grande hängen gehen so gut wie nie weg. Wir machen also eine kurze Mittagspause und packen alles was wir für den Abstecher nach oben brauchen in meinen Rucksack. Der ist trotzdem deutlich leichter als vorher und Delphine geht nur mit ihrer Kameratasche. Damit wird der heutige Tag dann auch doch entschieden leichter. So bepackt wie jetzt ist es wie ein kurzer Marsch auf die Hochries.

Beim Aufstieg nach oben treffen wir noch ein deutsches Pärchen die wir gestern schon kennen gelernt haben. Sie waren nur bis zum Mirador Frances. Einem Aussichtspunkt auf halber Höhe zum Britanico. Ihnen wurde gesagt, den Rest kann man sich sparen, da gibt es nicht mehr zu sehen als bei Frances. Also den Gletscher und drüber die Berge. Wir wollen aber trotzdem ganz hoch. Man weiß ja nie. Und wenn wir schon mal da sind kommt es auf eine Stunde mehr Aufstieg auch nicht an.

Der Mirador Frances bietet schon eine schöne Aussicht auf die Berge und den Frances Gletscher, aber je näher wir dem Mirador Britanico kommen, desto mehr wird klar, dass es da oben noch einen ganz anderen Ausblick geben wird als der vorherige, der auch schon sehr schön war.

Und tatsächlich, oben angekommen gibt es einen super schönen Blick auf die umliegenden Felstürme, die sich in ca. 270 Grad um den Standpunkt positionieren. Viele steile Granittürme und dann der etwas über 3000 Meter hohe Paine Grande, der – wie bereits erwähnt – mit seinen Eispilzen am Gipfel fast immer in Wolken steckt. Wir lassen uns sehr viel Zeit zum Schauen und fotografieren. Am Ende zeigt sich auch der Paine Grande immer wieder kurz in seiner gewaltigen Pracht.

Als die Sonne langsam schon deutlich tiefer sinkt entschließen wir uns dann doch langsam zum Abstieg. Wir müssen ja auch noch bis zum Camp und außerdem ist heute Heiligabend, da haben wir ein zwei Gänge Menü geplant. Doch der Abstieg zieht sich. Der Weg ist einfach, aber beim Blick zurück ergeben sich immer wieder schöne Perspektiven die schreien: “Halt, mach doch noch ein Foto“.

Gegen acht sind wir unten bei der Rangerstation und packen kurz unsere Rucksäcke wieder um. Dann gehen wir noch die letzten zwei Kilometer zum Camp. Das liegt im Wald an einem Berghang und die Zelte stehen auf Holzplattformen. Es ist das erste Camp, das auch Kochstellen im freien hat. Es ist zwar sehr windig, aber trotzdem noch immer schön und recht warm Also kochen wir unser Heiligabendmenü draußen. Es gibt Tütensuppe mit Suppennudeln als ersten Gang und Kartoffelbrei – natürlich aus der Tüte – mit Thunfisch. Mehr ist halt nicht drin, wenn man das Essen vorher für sechs Tage mitschleppen muss. Aber wir genießen es trotzdem gemeinsam mit einem französischen Pärchen. Bei ihnen gibt es Nudeln mit Tomatensauce und zur Feier des Tages ein Stück Schinken drüber. Danach packen wir auf unsere Plattform vor dem Zelt noch zwei Mini Geschenke von meinen Schwestern aus, die ich extra auch mitgetragen habe. Dazu gibt es ein paar lecker Kekse von Mama. Leider dieses Jahr nicht annähernd so viele wie sonst zuhause. Danach legen wir uns schlafen in unserem gemieteten Zelt.

Tag sieben, entlang des Lago Nordenskjöld zurück zum Ausgangspunkt

Am ersten Weihnachtsfeiertag geht es fast den ganzen Tag am Lago Nordenskjöld entlang. Wir haben super schönes Wetter. Blauer Himmel, keine Wolken und wenig Wind. Sogar der Paine Grande ist völlig frei von Wolken. Es ist grausam. Nach drei Stunden haben wir gerade mal fünf Kilometer geschafft. Es gibt einfach zu viel zu sehen und ein schöner Strand am Lago lässt und auch nicht einfach vorbeigehen. Wir ziehen erstmal die Schuhe aus und baden die Füße. Nach etwa der Hälft der Tagesetappe geht es etwas um die Ecke und die spektakulären Blicke auf den Paine Grande, den Gletscher darunter und dem türkisen Lago Nordenskjöld ganz unten werden weniger. Wir schaffen dann die restlichen Kilometer doch noch deutlich schneller als befürchtet. Kurz bevor wir wieder bei Pedro sind kommen wir an der Abzweigung in Richtung Base Torres vorbei. Dem zweiten Highlight des W-Trecks. Nur, dass man hier relativ gut vom Parkplatz aus in einem Tag hochkommt. Aber diesen letzten Abschnitt wollen wir erst in drei Tagen machen, weil das Wetter dazwischen nicht so schön werden soll.

Und dann sind wir wieder da, wo wir vor sieben Tage losgelaufen sind. Wobei zum endgültigen Abschluss eben noch die Tour zu den Base Torres fehlt.

Wir freuen uns aber erstmal auf zwei Ruhetage bei Pedro. Und auf was Anderes zu Essen als immer nur Couscous, Kartoffelbrei und Tütensuppen.

Weihnachten in Pedro

Am nächsten Tag schlafen wir erstmal aus und kümmern uns um unsere Bilder. Dann gönnen wir uns ein sehr teures Internet Paket um zu Weihnachten endlich auch noch unsere Familien anrufen zu können. 18 Euro für acht Stunden langsames Wifi. Aber es ist ja Weihachten und sehr schön alle zuhause dank Internet sehen und hören zu können.

Am Tag darauf ist das Wetter erstmal gar nicht so schlecht. Ich will aber meine Fotos von der Tour sichten und bearbeiten und morgen soll es außerdem eh viel besser werden. Delphine beschließt eine kurze Tour auf einen Berg direkt oberhalb vom Parkplatz zu machen. Sie will sehen, ob es da oben vielleicht auch eine schöne Sicht auf die drei Torres gibt.

Als sie losgeht ist es etwas windig, aber das ist hier ja üblich. Als sie dann aber oben über der Waldgrenze ist nimmt der Wind deutlich zu. Wir haben noch etwas Kontakt über Funk und sie kann mir noch sagen, dass der Wind da oben schon sehr extrem ist und sie versuchen wird runter zu kommen. Danach gibt leider der Akku von ihrem Funkgerät auf. Die lange Lagerzeit in Pedro hat er wohl nicht so gut verkraftet. Ich bin unten bei Pedro und die Böen werden auch hier stärker. Ich beobachte immer wieder den Berg und parke irgendwann auch Pedro vorsichtshalber so um, dass die Böen ihn eher von hinten anpusten als von der Seite. Neben uns steht ein argentinisches Auto in dem ein Pärchen wohnt, das auch mit uns die ganze Runde um die Torres gewandert ist. Carlos und Ger, wie wir später erfahren werden. Carlos kommt auch immer wieder raus und schaut nach dem inzwischen teils ganz schön heftigen Wind. Wir verabreden uns für später zum Abendessen in Pedro. Ich mache mir zwar schon langsam ganz schön Sorgen um Delphine, aber es wird schon nicht so wild sein.

Als sie um fünf immer noch nicht da ist und der Wind immer noch mehr zunimmt werde ich dann doch langsam nervös. Unten durchs Tal ziehen immer wieder beeindruckende Staubwolken und Dust-Devils. Kleine Wirbelstürme die eine Menge Zeug mit in die Luft nehmen. Im Bereich des Campingplatzes steigen einmal auch viele Stoffteile und Papierfetzen gut 50 bis 70 Meter in die Luft und werden oben weit über den Parkplatz weggetragen. Unser Stellplatz ist aber zum Glück recht gut gegen die ganz heftigen Böen geschützt.

Und Delphine´s Platz? Der ist oben am Berg ziemlich ungemütlich. Sie wird von den Böen teilweise sogar am Boden kauernd mitgeschoben und die ganze Zeit von vielen kleinen Kieselsteinen malträtiert die ihr der Wind um die Ohren haut. Zwischen den einzelnen Böen läuft sie immer ein Stück weiter zum nächsten großen Fels oder Busch und arbeitet sich so langsam nach unten. Um kurz vor sechs ist sie dann erschöpft und etwas zerschunden wieder bei Pedro. Puh, das ist ja nochmal gut gegangen.

Gegen acht kommen dann Carlos und Ger zu uns. Ger hat Maismehl mitgebracht und macht Arepas für uns alle. Maisfladen, die vor allem in ihrer Heimat Venezuela sehr beliebt sind. Sie bestehen aus einem Teig aus Maismehl, Wasser und Salz und werden in der Pfanne gebraten und dann aufgeschnitten und gefüllt. Das Ganze ist sehr lecker und wir beschließen es auch in unser Repertoire aufzunehmen.

Es ist auch mal toll, sich in Pedro von jemand anderen bekochen zu lassen und Ger findet es auch super, mal wieder an einem Herd mit zwei Platten und Windschutz kochen zu können. Ihr Auto hat hinten einen Kocher zum Ausziehen und draußen kochen im Kofferraum. Wenn zu viel Wind ist wird im Auto im Sitzen mit dem Campingkocher gekocht.

Carlos und Ger – ihr voller Name ist Germauris – kommen beide ursprünglich aus Venezuela. Sie haben aber die letzten sechs Jahre in Buenos Aires gelebt. Jetzt wollen sie erstmal für ein Jahr durch Patagonien reisen und dann weiter durch den Rest von Südamerika. Sie haben zuhause in Buenos Aires ihre Wohnung gekündigt und alles verkauft. Die beiden reisen in einem großen Allradwagen mit Dachzelt und Fahrrädern oben drauf. Aber in den sehr windigen Gegenden schlafen sie im Auto.

Wir unterhalten uns bei einer guten Flasche Wein sehr lange über das Reisen, das Leben in Europa und Südamerika und viele andere Dinge. Die beiden haben ähnliche Ideen für ihre nächsten Etappen und wir tauschen Kontakte aus um demnächst auch mal ein paar Touren gemeinsam zu gehen.

Doch erstmal wollen wir noch zum Base Torres und dann müssen wir auch noch sehen, dass wir entweder Delphine´s Zelt reparieren können, oder ein anderes auftreiben. Das Problem hatte Delphine auch schon in einer großen WhatsApp Gruppe mit vielen Reisenden geteilt und prompt hat sich Ingej aus Slowenien gemeldet. Er und seine Freundin haben einen Camper in Südamerika gekauft in de auch noch das Zelt des Vorbesitzers war. Da sie ihr eigenes dabei haben brauchen sie es aber nicht und können es uns geben, wenn wir uns mal treffen können. Die zwei sind gerade in Puerto Natales und wollen auch in den Torres del Paine Nationalpark kommen die nächsten Tage. Wann genau wissen sie noch nicht und mangels Internet ist es schwierig sich konkreter zu verabreden, aber irgendwie klappt es vielleicht.

Zum Abschluss noch zum Mirador Base Torres

Doch erstmal geht es noch zum Mirador Base Torres. Hier sieht man die drei Torres, die dem Nationalpark ihren Namen geben in voller Pracht über einer schönen Lagune aufsteigen. Den Aufstieg machen wir gemeinsam mit vielen hundert anderen Wanderern. Es geht ca. 10 km und tausend Höhenmeter ein schönes Tal hoch. Der Weg ist nicht schwierig, aber spannend ist es mit den vielen, oft ungeübten anderen Wanderern trotzdem.

Oben ist dann am Ufer der Lagune die Hölle los. Überall werden Selfies mit den Torres gemacht. Wir steigen etwas höher in die Felsen auf und machen Mittagspause und genießen den Anblick. Der ist vor allem auf Grund der vor den Torres liegenden türkisen Lagune auch sehr spektakulär. Und natürlich machen wir wieder viel zu viele Fotos.

Später stürzen wir uns dann noch in das Getümmel unten am Ufer und machen ein paar Fotos und dann geht’s wieder runter. Wir waren über eineinhalb Stunden oben und trotzdem kommen uns im Abstieg noch viele Leute entgegen, die wir im Aufstieg schon überholt hatten. Aber alle wollen rauf um die Torres zu sehen. Sicherlich auch eine Folge der unglaublich guten Werbemaschinerie die für diesen Park betrieben wird.

Jetzt haben wir also unsere Tour komplett. Und, war es der Hike of our life?

Es war eine schöne Tour, die allerdings schon etwas getrübt wird von dem ganzen Trubel und den teilweise unverschämten Preisen die hier kassiert werden. Aber die haben wir ja wie alle anderen auch in Kauf genommen. Landschaftlich ist vor allem der Teil des W-Treks schon sehr, sehr schön. Aber wir sind uns beide einig, dass es nicht die Nummer eins unserer gemeinsamen Mehrtagestouren war. Die ist immer noch in den Pyrenäen zu finden. Allerdings könnte die Gegend um El Chalten und vor allem viele Touren in den nördlicheren Anden das noch ändern. Wir sind gespannt was noch kommt.

Als wir zurück bei Pedro sind ist ein Zettel am Scheibenwischer. Irenej aus Slowenien war da und will heute Abend auch nochmal zu uns kommen. Aktuell versuchen sie Pumas zu sehen.

Super, dann können wir das Zelt ansehen und entscheiden, ob es eine Option für uns ist. Dank des starken Sturms von gestern haben wir inzwischen sogar Ersatzstangen für unser Zelt. Der Sturm hat einige der Mietzelte auf dem Campingplatz zerstört. Als wir von unserem Ausflug zu den Torres zurückkamen, hat Delphine einen Haufen Zeltstangen und Zeltplanen gesehen und am Campingplatz gefragt, ob wir davon was nehmen können. Ja, das ist alles Müll. Super für uns. Wir nehmen einige Stangen mit um daraus eine passende neue zu machen. Am Ende haben wir das alte Zelt repariert und ein neues Leichtzelt von Ingej. Was uns aber immer noch fehlt ist ein wirklich windstabiles Zelt. Also bleiben wir bei dem Plan nochmal nach Puerto Natales zu fahren um uns dort nach einem stabileren Zelt umzusehen. Das ist dann nicht nur für die windigen Gegenden in Patagonien gut, sondern auch für die eine oder andere Hochtour in Bolivien, Peru und Ecuador die wir hoffentlich noch machen werden.

Auf der Suche nach den Pumas

Doch erstmal wollen wir jetzt auch nochmal versuchen einen Puma zu sehen. Carlos will den Park nicht verlassen bevor er einen gesehen hat oder ihre Essensvorräte zu Ende gehen. Wir bekommen eine Menge Tipps von ihm und beschließen auch noch ein oder zwei Tage länger zu bleiben und es auch zu versuchen. Die Tierchen sind allerdings ziemlich scheu und nur in den Stunden nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang aktiv. Also starten wir am nächsten Morgen um kurz nach fünf und fahren bei Sonnenaufgang in Richtung Laguna Amarga. Von hier aus gibt es einen Wanderweg zum Parkeingang am Lago Sarmiento. Und in der Gegend sollen sich besonders viele Pumas aufhalten. Also wollen wir auch mal dort unser Glück versuchen. Der Haken dabei, der Weg darf nur in Begleitung eines darauf spezialisierten Führers begangen werden. Vor ein paar Jahren wurde wohl ein Kind von einem Puma erschreckt nachdem es zu weit auf einen Puma zugegangen ist. Die Eltern haben es wohl nicht daran gehindert bis der Puma gezeigt hat, dass er damit nicht einverstanden ist. Die Eltern haben das daraufhin gemeldet und seitdem darf man nicht mehr ohne professionelle Begleitung in den Park. Schade, aber wir wollen und das ganze trotzdem mal ansehen.

Am Beginn des Weges stehen aber so viele Schilder und Hinweise, dass man hier auf keinen Fall durchdarf, dass wir auch von dem Plan abkommen, es mal auf blöd zu probieren. Stattdessen fahren wir mit Pedro den Weg zum Lago Sarmiento langsam ab und halten die Augen offen in der Hoffnung noch etwas zu sehen. Leider ohne Erfolg.

Später am Tag fahren wir noch zur Laguna Azul, einem etwas abgelegeneren und weniger überlaufenen See im Nordosten des Parks und bleiben dort für eine Nacht. Auch hier gibt es nochmal sehr schöne Ausblicke auf die Torres und außerdem ein paar schöne Fotos mit einer Guanacoherde. Diese Tiere sind zwar im Gegensatz zum Puma überhaupt nicht selten, dafür aber auch viel weniger scheu und trotzdem schön anzusehen.

Am nächsten Morgen füllen wir noch etwas Wasser in unseren Tank und dann geht’s nach sechszehn Tagen im Nationalpark Torres del Paine wieder zurück nach Puerto Natales.

Nochmal Puerto Natales

Hier stellen wir nach einigen Stunden Suche fest, dass die Auswahl an hochwertigen Zelten der uns bekannten Marken nicht all zu groß ist. Wir finden aber heraus, dass viele der Unternehmen die hier Outdoorequipment an Touristen verleihen auch immer wieder Zelte verkaufen. Einer der Verleiher verkauft uns schließlich für ca. 150 Euro ein sehr stabiles geodätisches Zelt, dass zumindest vom Aussehen her einen recht guten Eindruck macht. Er versichert und auch glaubwürdig, dass das das Zelt ist, das er selbst für seine vielen Touren in Torres del Paine in Sommer und Winter verwendet und dass er bisher damit gute Erfahrungen gemacht hat. Die Fotos die er in seinem Laden aufgehängt hat zeigen, dass er sehr viel zu allen Jahreszeiten im Park unterwegs ist.

Und wir bekommen noch ein weiteres Ausrüstungsproblem gelöst. Schon zu Beginn der Reise, bei unserem Ausflug in die Gegend des Faro San Isidro ist bei einem unserer alten Campingstühle die Stoffbespannung gerissen. Die Stühle haben wir von Delphine´s Mutter bekommen und sie haben schon über dreißig Jahre gute Dienste geleistet. Einen halbwegs brauchbaren Ersatz konnten wir bisher nicht finden. Also will Delphine versuchen ihn zu reparieren. In einem Stoffgeschäft bekommen wir einen sehr stabilen Stoff. Den könnte man jetzt einfach passend umnähen. Aber ohne Nähmaschine wird das sehr viel Arbeit. Also fragen wir nach einem Schneider und werden an Rosa verwiesen. Rosa ist eine ältere Dame um die siebzig und macht alle möglichen Näharbeiten die ihr so gebracht werden. Als wir sie in ihrer Wohnung in einem Hinterhof aufgefunden haben schaut sie sich den Stoff an und meint, dass machen zu können, wenn es alles gut markiert ist. Also gehen wir zu Pedro, schneiden auf dem beengten Raum gemeinsam den Stoff zu und falten und markieren alles so, wie wir uns das vorstellen. Sie näht uns alles und als wir die Bespannung am nächsten Vormittag abholen erzählt sie noch viel aus ihrem Leben. Vor allem von einem der absoluten Höhepunkte ihres Lebens, einer Reise nach Orlando in Florida mit dem Besuch von Disney World und Cape Canaveral. Während sie erzählt strahlen ihre Augen und sie sieht gleich viel jünger aus.

Jetzt haben wir also wieder zwei funktionsfähige Campingstühle und insgesamt drei Zelte. Vielleicht sollten wir auch einen Verleih für Outdoorkram aufmachen. Aber erstmal wollen wir weiter nach Norden.

Wir starten am nächsten Morgen und fahren über den uns bereits bekannten Grenzübergang Paso Dorotea nach Argentinien. Um zu einer kleinen Quelle mit frischem Wasser zu kommen, machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Veintiocho de Noviembre. Das ist kein Datum – also natürlich auch – sondern in diesem Fall ein Ort. In Argentinien sind nicht nur viele Straßen nach irgendwelchen Tagen benannt, sondern sogar Ortschaften. Wir spinnen uns schöne Geschichten zusammen. Was ist zum Beispiel, wenn man am 28ten November im Ort 28ter November geboren wird? Das wäre ganz schön witzig. Wenn man dann an dem Tag auch noch heiratet wird einem irgendwann keiner mehr glauben. Egal, unsere Fantasie ermöglicht uns die witzigsten Kombinationen.

Aber wir sind nicht wegen dem Namen des Ortes hier, sondern wegen der Quelle. Also füllen wir Pedros 200 Liter fassenden Wassertank nach und nach mit unserem 12 Liter Kanister und freuen uns über sehr gutes sauberes Wasser.

Danach machen wir noch einen Abstecher in eine Bäckerei vor Ort und sind begeistert, wie sich das Angebot an guten Backwaren in Argentinien plötzlich massiv vergrößert. Überhaupt ist es in diesem Land, deutlich einfacher gute Lebensmittel zu finden als in Chile. Die vielen Italiener die hier eingewandert sind haben offensichtlich ihre Spuren hinterlassen.

Nach einer Übernachtung mitten in der Pampa fahren wir am nächsten Morgen noch die letzten Kilometer nach El Calafate und sehen uns erstmal in der Stadt um. Die nächsten Tage wollen wir dann zum Perito Moreno Gletscher.

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