Glaciar Perito Moreno

Glaciar Perito Moreno

El Calafate

In El Calafate wollen wir erstmal ein paar Kleinigkeiten besorgen. Unser Gas zum Kochen reicht für etwa 6-8 Wochen. Je nachdem, ob wir auch mal die Dusche benutzen und wie aufwändig wir kochen. Das letzte Mal haben wir es vor knapp drei Jahren in Ushuaia gefüllt. Jetzt brauchen wir bald neues. Dann brauchen wir argentinische Telefonkarten. Die chilenischen funktionieren hier leider nicht, obwohl es angeblich ein Roaming Abkommen gibt. Und dann noch Bargeld. Nördlich von El Calafate geht es lange Zeit ziemlich ins nichts. Es gibt zwar bekannte Orte wie El Chalten, aber ob man da mit der Kreditkarte zahlen kann ist immer von der aktuellen Internetverbindung abhängig.

Naja, kein Thema. Kurz in den Baumarkt und die Gasflasche tauschen, dann Telefonkarten kaufen und aktivieren und dann noch schnell zur Bank und Bargeld holen. Das müsste ja in einer guten Stunde machbar sein.

Von wegen. Wir sind hier eben nicht in Europa. Das mit dem Gas ist allerdings auch bei einer Reise von Deutschland nach Frankreich schon nicht so einfach. Da fast jedes Land dieser Erde sein eigenes Gassystem und damit auch eigene Flaschen hat, kann man die nicht einfach immer tauschen. Auch die Größen der Flaschen variieren gewaltig. Also muss man das Gas immer wieder auffüllen lassen. Dummerweise ist das aber inzwischen auch in Argentinien aus Sicherheitsgründen nicht mehr erlaubt und man muss sich immer wieder neu informieren wo man Gas nachfüllen kann.

Wir fahren also zur Firma Surgas etwas außerhalb von El Calafate. Dort kommt gleich ein netter Herr zu unserem Wohnmobil und wir erklären unser Problem. Er erklärt uns, dass das so nicht mehr geht. No, nada. Wir müssten nach El Chalten und dort nach Pajarito fragen. Hm, blöd. Wir haben noch Gas für etwa eine Woche, danach wird es knapp. Und nach El Chalten wollten wir zwar bald, aber nicht so bald.

Zum Glück fragt Delphine nochmal nach. Ob er Nestor sei? Ja, der ist er. Wir haben seinen Namen in einem Eintrag bei iOverlander –eine App die die unterschiedlichsten Hinweise von Reisenden sammelt – gelesen.

Er nickt unauffällig zur Seite, wo gerade ein anderer Mann der Firma vorbeigeht. Das ist sein Chef, raunt er Delphine zu. Er darf hier kein Gas auffüllen. Aber bei sich zuhause in der Via Formenti 390, da kann er das machen. Wir sollen nachmittags ab 14:00 vorbeikommen und einen Adapter von unserer US-Gasflasche auf eine argentinische mitbringen.

Das klingt doch schon mal besser. Nur, wo wir so einen Adapter finden, das kann er uns leider nicht sagen. Somit fängt also ein altbekanntes Spiel an. Wir gehen erstmal zu einer größeren Ferreteria – einem Eisenwarengeschäft bzw. zu neudeutsch eher Baumarkt – und fragen dort nach. Nein, das haben sie hier nicht. Aber es gibt einen Campingladen im Ort der sich darauf spezialisiert hat. Calafate Fishing. Das klingt für uns nicht so abwegig. Auf dem Weg ins Zentrum schaut Delphine noch kurz in einer anderen Ferreteria vorbei. Die empfehlen noch einen anderen Outdoorladen. Also steuern wir erst den nächsten der beiden Outdoorläden an. Si Claro. Gaskartuschen haben sie. Die kleinen fürs Wandern. 320 gr Gas pro Kartusche. Wir wollen aber 6 – 9 kg Gas. Adapter? Nein, das haben sie nicht. Ok, dann zu Calafate Fishing. Einem Laden mit Fischzubehör und etwas Campingausrüstung. Der Laden ist geschlossen. Mist. Aber als wir gerade wieder gehen wollen kommt der Besitzer und sperrt uns auf. Wir erklären das Problem erneut und erhalten die gleichen Antworten. Ob er wüsste wo wir sowas finden fragt Delphine. Er nimmt sein Telefon und ruft erstmal einen Kumpel an. Der meint, J.C. Hogar könnte sowas haben. Ein Sanitär- und Gaszubehör Laden im Industriegebiet. Das klingt doch vielversprechend. Und weil er uns offenbar sehr gerne helfen will, ruft er gleich noch in dem Laden an. Si si. Wir sollen vorbeikommen. Wahrscheinlich können sie uns helfen. Er sucht uns auch noch die Adresse raus und gibt uns den Tipp, gleich mit unserer großen Gasflasche in den Laden zu gehen, dann gibt’s keine Missverständnisse. Wow, das war mal ein Service.

Wir fahren also zu J.C. Hogar und bekommen eine Reihe von Adaptern an deren Ende, mit Hilfe eines Druckschlauches, dann der Anschluss für eine argentinische Flasche ist. Super. Inzwischen sind vier Stunden vergangen, aber wir haben zumindest mal eine gute Chance unser Gas zu fülle. Jetzt noch schnell zu Nestor in die Formenti 390. Das Navi weiß wohin und wir fahren los. Da gibt es die Nummer 370, kurz daneben die 630 gefolgt von der 632. Alles schön und gut, aber wo sind die anderen 250 Häuser hin? Nach etwas suchen schaffen wir es aber auch, die versteckte Hausnummer 390 zu finden und erfahren von Nestors Sohn, dass Nestor in ca. 30 Minuten wieder da ist. Ok, dann holen wir schnell noch die Telefonkarten.

Diese blöden Sim-Karten müssen aber aktiviert werden. Dazu muss man entweder seine argentinische Ausweisnummer –DNI-  angeben oder sich als Tourist anmelden. Das Problem: Die Anmeldung als Tourist soll man online machen, die Seite funktioniert aber nicht. Hm. Was nun. Es ist nicht unüblich, dass die Verkäufer für einen Aufschlag die Nummer mit ihrer ID registrieren. Unser Verkäufer hat das aber schon zu oft gemacht und wird vom System bald gesperrt. Aber er fragt bei einem Kumpel nach und darf dessen ID für Delphines Karte verwenden. Ob das wohl im Sinne des Erfinders war? Egal, Hauptsache wir können zumindest ein Telefon nutzen. Am nächsten Tag dauert es dann nochmal fast zwei Stunden, bis auch auf meinem Telefon alles läuft. Tja, wir wollen ja auch wissen, wie es sich in anderen Ländern so lebt. Da gehört auch sowas dazu. Gegen neun sind wir dann bei Nestor und wollen nur kurz fragen, ob unser Adapter so ok ist und wir dann morgen zum Gas füllen kommen können. Der Adapter ist für ihn perfecto und wenn es bei uns passt, kann er die Flasche auch gleich füllen. In zwei Stunden können wir wiederkommen, dann ist sie voll. Super. Wir fahren in die Stadt, bekommen in einer Pizzeria mit dem viel versprechenden Namen Napolitana eine der schlechtesten Pizzen unseres Lebens und holen danach glücklich die Gasflasche ab.

Am Ende fehlt also nur noch das Bargeld. Aber kurz zur Bank und abheben ist nicht. Man kann hier maximal Beträge von umgerechnet ca. 30 – 40 Euro abheben, zahlt jedes Mal eine saftige Gebühr und bekommt das Geld zu einem miserablen Wechselkurs. In Argentinien gibt es einen von der Regierung festgesetzten Wechselkurs von aktuell etwa 190 Pesos pro Euro. Daneben gibt es aber noch ein paar andere Kurse. Die Banken mussten bis vor kurzem den offiziellen Wechselkurs nutzen. Da aber bei einer Inflation von ca. 100 % im Jahr alle Argentinier ihr Geld gerne in Euro oder Dollar tauschen möchten, blüht natürlich auch der Schwarzmarkt. Und dann gibt es noch eine ganz andere Möglichkeit die für Touristen sehr interessant und legal ist: Man zahlt per Kreditkarte oder Überweisung Geld bei Western Union ein und holt es sich dann in Bar bei einem der Standorte ab. Da Western Union keine Bank, sondern ein Händler ist- sie handeln also einfach mit Geld – sind sie nicht an den vorgegebenen Kurs gebunden. So liegt hier der Wechselkurs im Moment bei ca. 350 Pesos pro Euro. Der Haken: vor den Western Union Standorten finden sich fast immer lange Warteschlangen. Eine oder zwei Stunden warten gehört leider einfach dazu. Und in El Calafate sind es eher 3 – 4 Stunden wurden wir gewarnt. Dafür können wir dann pro Person bis zu 60.000 Pesos bekommen. Also etwa 170 Euro.

Wir fahren extra zu einem Western Union Standort etwas außerhalb und treffen dort ein paar andere wartende Reisende. Unter anderem ist dort auch Valentina aus Mailand. Sie ist mit dem Rad die Carretera Austral heruntergefahren und will jetzt noch einen guten Monat ohne Rad – der Wind ist ihr hier verständlicherweise zu heftig – bis nach Ushuaia reisen. Sie erklärt uns, dass wir hier eine Kopie von unseren Reisepässen benötigen um an Geld zu kommen. Leider hat der Laden um die Ecke, der Kopien macht, gerade zu. Ich hab aber zum Glück zumindest noch eine Kopie von meinem Reisepass in Pedro.

Offensichtlich sind wir auch zu einem guten Zeitpunkt gekommen. Nach nicht mal einer Stunde können wir zumindest einmal 60.000 Pesos bekommen und erfahren außerdem, dass wir gegen eine kleine Gebühr auch eine Reservierung für den nächsten Tag machen können. Super. Wir reservieren und bekommen am nächsten Tag ohne viel Warten zweimal 60.000 Pesos. Das mit dem Bargeld ist also auch erstmal erledigt und wir können weiter in Richtung des Perito Moreno Gletschers.

Glaciar Perito Moreno

Perito Moreno, das ist nicht nur ein Gletscher, sondern auch noch ein Nationalpark weiter nördlich und ein kleines Städtchen. Und diese drei heißen nicht zufällig so, sondern sind nach einem bekannten Argentinischen Geographen benannt, der viel zur Erforschung der Flora und Fauna in Patagonien beigetragen hat. Als Perito Moreno 1919 starb trug der Gletscher, der ursprünglich mal Bismarck Gletscher hieß – sein Entdecker war der Deutsche Rudolph Hauthal – zwar bereits seinen Namen, aber persönlich gesehen hat er ihn nie.

Der Glaciar – Gletscher – Perito Moreno ist nur einer von sehr vielen beeindruckenden Gletschern die es im Nationalpark Los Glaciares gibt. Aber er endet in einem See und seine Abbruchkante liegt nur wenige Meter vom gegenüberliegenden Ufer des Sees entfernt. Also eigentlich von zwei Seen. Im Süden liegt der Lago Roca, im Norden der Lago Argentino, an dem auch El Calafate liegt. Und im Bereich des Gletscherbruchs fließt der höher gelegenen Lago Roca in den Lago Argentino. Durch diese spezielle Lage kann man ohne viel Aufwand sehr nahe an die hohe Abbruchkante heran und so ein besonderes Naturschauspiel aus nächster nähe beobachten.

Ab und an kommt der Gletscher auch bis an das andere Ufer und das Wasser staut sich auf. In Folge bildet sich dann irgendwann ein spektakulärer Eistunnel und der wiederum bricht dann irgendwann mit einem riesen Getöse zusammen. Im Internet findet man schöne Videos davon.

Doch im Moment ist die Abbruchkante ca. 50 m vom Ufer entfernt und es gibt keinen Tunnel. Spektakulär ist es aber trotzdem.

Wir fahren, nachdem wir unsere ganzen Besorgungen gemacht haben, entlang des Lago Argentino in Richtung Westen. Mit dabei ist Valentina, die Radlerin aus Italien, die sich mit uns morgen den Gletscher anschauen will. Unser Plan ist, kurz vor dem Eingang des Nationalparks zu übernachten und dann morgen um acht, wenn der Park aufmacht, gleich die letzten 20 km zum Gletscher fahren zu können und vor den großen Touristenströmen da zu sein. Zweiter Teil des Planes: Wir nutzen den Tag beim Gletscher und gehen erst, wenn geschlossen wird. Also gegen halb sieben am Abend. Somit haben wir viel Zeit den Gletscher und hoffentlich auch ein paar der spektakulären Eisabbrüche zu sehen.

Am Ortsausgang von El Calafate stehen zwei Tramper. Pedro hat zwei offizielle Sitze. Dann noch einen kleinen Hocker, der als Sitzplatz zum Essen gedacht ist und nicht zum Mitfahren. Auf dem sitzt schon Valentina. Naja, egal. Wir halten an und fragen die beiden erstmal wo sie hinmöchten. Wie erwartet wollen sie auch zum Gletscher. Also kommen Jacob und seine Freundin, beide aus Warschau, auch noch hinten rein. Sie müssen halt am Boden sitzen.

Wir übernachten wie geplant in der Pampa kurz vor dem Eingang zum Nationalpark. Zum Abendessen werden wir mal wieder in Pedro bekocht. Valentina macht eine schöne italienische Pasta für uns. Wir sitzen mit ihr noch eine ganze Weile in Pedro und quatschen. Sie ist eigentlich Sozialarbeiterin in Italien, hat aber die letzten Jahre alle möglichen Jobs gemacht und ist viel gereist. Vor allem mit dem Rad. Unsere Nachbarn aus Polen wollten leider früh ins Bett, dadurch bekommen wir von ihnen nicht so viel mit. Außer, dass sie als Backpacker durch Südamerika reisen und auch schon ziemlich lange Etappen zu Fuß zurückgelegt haben.

Am Morgen nach dem Aufstehen bietet sich draußen ein lustiges Bild. Pedro in der Pampa ist ja nix neues, aber in seinem Windschatten nochmal zwei Zelte macht schon was her. Vielleicht sollten wir einen fahrenden Campingplatz aufmachen.

Wie geplant fahren wir früh los und sehen nach ca. 10 km Strecke das erste Mal den Gletscher. Wow, der ist wirklich groß und mündet weit in den See. Beim Näherkommen gibt’s noch ein paar schöne Blicke und dann sind wir auch schon auf dem Besucherparkplatz.

Von hier aus kann man auf verschiedenen Wegen den Hang gegenüber des Gletschers entlanglaufen. In Summe sind es nur ca. 2,5 km Strecke, also viel Zeit zum Schauen. Die Wege sind zum größten Teil auf Gitterrosten in einer Höhe von ca. ein bis drei Meter über dem Boden angelegt. So werden die Besucher entlang des Hanges in verschiedene Richtungen gelenkt und es ist auch bei großem Andrang genug Platz für alle.

Wir laufen auch eine Weile über verschiedene Wege immer weiter runter und kommen dem gewaltigen Abbruch immer näher. Der Anblick ist faszinierend. Von oben gesehen ist der Gletscher wild zerrissen mit viele tiefen Löchern und großen Spalten. Vorne an der Kante bricht er auf einer Höhe zwischen 50 m und 70 m teils senkrecht ab und es hängen verschiedene Blöcke und Türme an den Kanten oder scheinen auch nur noch durch filigrane Eiskonstrukte am Gletschereis zu kleben. Unten im See schwimmen die abgerochenen Reste. Teils einfach Eisklumpen, teils kleine Eisberge. Das gegenüber liegende Ufer des Sees ist über 1 km entfernt, aber die Gletschertzunge schiebt sich auf dem Grund des Sees bis ca. 50 m an unser Ufer heran. Wir stehen direkt gegenüber dem Ende der Zunge und rechts und links ziehen sich die fast senkrechten Eiswände bis zum anderen Ufer. Und überall ist der Gletscher in Bewegung. Es rumpelt und knallt immer wieder. Mal ist es irgendwo im inneren der gewaltigen Eismasse, mal an einer der seitlichen Wände. Und immer wieder auch an dem uns zugewandten Ende. Und dann brechen immer wieder riesige Teile ab und fallen mit großem Getöse ins Wasser. Wir haben inzwischen einen schönen Aussichtspunkt gefunden und stehen da, schauen, staunen und fotografieren natürlich wieder mal viel zu viel. Manchmal sind die Abbrüche so gewaltig, dass bei den Zuschauern am Ufer spontan Applaus ausbricht.

Die verschiedensten Reisegruppen kommen und gehen. Delphine läuft gegen Mittag einmal eine Runde um auch ein paar andere Aussichtspunkte zu sehen und kommt dann wieder zurück. Ich wage es erstmal nicht unseren Platz zu verlassen. Es gibt ein paar Brocken die so aussehen als könnten sie bald runterfallen. Und uns gegenüber ist ein sehr großer Block aus massivem blauen Eis, der sich bestimmt heute noch löst. Am Ende stehen wir fast sieben Stunden auf dem gleichen Fleck und es wird keine Sekunde langweilig. Der ganz große Block, auf dessen Abbruch ich gehofft hatte, wollte nicht runterkommen, aber wir haben einige andere große Brocken ins Wasser stürzen sehen. Alleine für diese Anblicke hat sich das Warten gelohnt.

Erst später am Nachmittag gehen wir nochmal zu ein paar schönen Aussichtspunkten weiter oben im Norden. Bestaunen hier nochmal die Sicht auf den Gletscher von etwas weiter oben und werden dann gegen halb sieben von den Park Rangern langsam in Richtung Parkplatz geleitet. Als wir wieder am Parkplatz sind gibt es nochmal einem gewaltigen Rums unten am Gletscher, gefolgt von einem ordentlichen Platscher. Von hier aus sieht man die Kante des Gletschers nicht mehr richtig. Das war jetzt bestimmt der große Block, auf den ich so lange gewartet habe. Egel, es war ein schöner Tag mit beeindruckenden Ausblicken die man in dieser Art wohl kaum irgendwo sonst haben kann.

Wir fahren zufrieden wieder zurück zu unserem letzten Übernachtungsplatz. Diesmal wieder zur zweit. Unsere Begleiter aus Italien und Polen sind bereits mit dem Bus wieder nach El Calafate gefahren.

Und noch ein paar aus Bildern zusammengesetzte Videos die die gewaltigen Eisabbrüche vom Gletscher vielleicht ein bisschen visualisieren können:

Lago Roca und Cerro Cristallo

Am Abend nach dem Ausflug zum Gletscher beschließen wir, nicht direkt nach El Calafate zurück zu fahren, sondern noch einen Abstecher zum Lago Roca zu machen. Das ist der See, der südlich an die Zunge des Perito Moreno Gletschers heranreicht und an dessen Abbruchkante in den Lago Argentino fließt.

Wir fahren am nächsten Morgen bis zu einem schönen Campingplatz und machen es uns erstmal gemütlich. Es ist ein sehr heißer Tag und kaum Wind. Eine in Patagonien eher seltene Konstellation. Wir nutzen die Chance und gehen am Nachmittag im See baden. Der ist zwar recht frisch – kein Wunder bei dem vielen Eis das hier rein fällt – aber da wir weit vom Gletscher weg sind und in einer Art kleinen Lagune, lässt es sich durchaus ein bisschen schwimmen.

Am nächsten Tag sind wir dann wieder mal mit Carlos und Ger verabredet. Wir wollen auf den Cerro Cristallo. Einen schönen Aussichtsberg der ca. 1000 m über dem See aufragt und oben Blicke auf den See, den Perito Moreno und auf der anderen Seite bis zu den Torres del Paine bietet. Die Tour wird uns fast noch von einer Park Rangerin verboten. Wir sind erstmal baff als sie meint, die Route ist gesperrt. Gestern haben uns doch ihre Kollegen noch gesagt, dass wir da hochgehen können. Das war eine Fehlinformation meint sie. Nach einigem hin und her erlaubt sie es uns dann doch und wir haben eine schöne Bergtour mit super Aussicht von oben. Allerdings bläst oben auch mal wieder ein saukalter Wind.

Als wir wieder runter kommen kommt die Rangerin nochmal vorbei. Sie erklärt Delphine nochmal ausführlicher warum sie so streng ist. In Argentinien ist es rechtlich möglich, die Park Ranger anzuzeigen, wenn man am Berg verletzt wurde oder sonst etwas schiefging. Sie haben die Verantwortung für ihr Gebiet und wenn sich jemand da oben verletzt oder nicht mehr weiter kommt müssen sie ihn holen – was auch immer wieder vorkommt – und wenn jemand sie nach einer missglückten Bergtour anzeigt, dann müssen sie sich wohl oder übel vor Gericht dafür verantworten. Eine ziemlich doofe rechtliche Situation ist das. Aber auch unfassbar, dass jemand, der am Berg ein Problem hat dafür die Ranger zur Verantwortung ziehen will.

Wir haben nun durchaus mehr Verständnis für die Ranger, sind aber auch froh, dass wir die Tour machen konnten.

Am Abend treffen wir uns zum Grillen wir mit Ger und Carlos und schmieden dabei Pläne für gemeinsame Touren in der Gegend um El Chalten. Am nächsten Tag machen Delphine und ich dann noch eine kleine Radtour weiter hinten am See und fahren dann wieder zu unserem bereits bekannten Stellplatz vor dem Nationalparkeingang und am Morgen danach zurück nach El Calafate.

El Calafate

Bevor wir weiter nach Norden fahren um in der Gegend um El Chalten einige Touren zu gehen, müssen wir noch einige Besorgungen in El Calafate machen.

El Chalten ist eher ein Dorf und sehr viel kleiner als El Calafate. Es wurde auch erst 1985 überhaupt gegründet und hat eigentlich nur den Zweck, den Touristen und Bergsteigern eine Unterkunft nahe den Bergen zu bieten. Dementsprechend besteht es vor allem aus Hostels, einigen Outdoorläden, Agenturen die diverse Touren in der Umgebung anbieten und vielen kleine Kneipen, Restaurants und Cafés. Was es kaum gibt sind Supermärkte oder gar Gemüseläden. Und die wenige die es gibt sind sehr teuer.

Also wollen wir in El Calafate möglichst noch alles einkaufen was wir für die nächsten vier Wochen benötigen. Also zumindest alles was haltbar ist. Also gehen wir erstmal zu zwei Supermärkten für die Grundlagen und besorgen dann noch Trockenfrüchte, Wurst und Käse in einem kleinen Spezialitätenladen den Delphine entdeckt hat. Da gibt es tatsächlich richtigen Käse. Sogar Roquefort. Delphine hatte schon befürchtet, die ganze Zeit in Südamerika keinen anständigen Käse zu bekommen – für eine Französin ein harter Verzicht – aber hier gibt es durchaus einige gute Käsesorten und so decken wir uns auch damit gut ein. Dann besorgen wir noch einiges an gutem Brot und Backwaren und nutzen das gute Wifi der Bäckerei gleich noch um mal wieder etwas ausgiebiger mit unseren Müttern zu telefonieren.

Als wir alles erledigt haben kommen Carlos und Ger gerade draußen vorbeigelaufen. Sie erzählen, dass sie gestern auf der Suche nach Maismehl für ihre Arepas, bei einer kleinen Bäckerei oben in der Stadt gelandet sind, die sich auf die Versorgung der diversen Hotels mit Brot und Croissants spezialisiert hat. Sie haben zwar kein Maismehl dort bekommen, aber sind mit Marcello, dem Bäcker, ins Gespräch gekommen und wurden am Ende bei seiner Familie zum Abendessen eingeladen. Nachher wollen sie nochmal zu ihm hoch um ein paar Brote und Croissants zu besorgen. Laut Marcello wurden die Croissants auch schon von Franzosen gelobt. Wir sind neugierig geworden. Also fahren wir später auch noch zu der Bäckerei und werden gleich von Marcellos Familie begrüßt und ins Wohnzimmer geleitet, das direkt neben der Backstube ist. Eigentlich wollten wir nur noch ein paar von den hoch gelobten Croissants kaufen und dann langsam in Richtung El Chalten fahren. Aber gut, das läuft nicht davon.

Carlos und Ger haben vorhin für Marcello und seine Familie ein venezulanisches Mittagessen gemacht. Jetzt sitzen alle beim Mate und erzählen von ihrem Leben. Marcello und seine Frau Andrea haben da durchaus einiges zu erzählen. Mit Anfang zwanzig haben sie ihren ältesten Sohn bekommen. Der ist inzwischen selbst Anfang zwanzig und träumt von einer Karriere als Radprofi. Seine Eltern haben auch einiges gespart um ihm und auch seinen Geschwistern ein paar anständige Räder zu kaufen, aber Geld bringen die Radrennen dann doch noch nicht ein und so müssen die Söhne wohl oder übel bei ihrem Vater in der Bäckerei mitarbeiten.

Der ist vor mehr als fünfzehn Jahren in die Gegend hier gekommen um Arbeit zu finden. Seine Frau und seine Kinder hat er dabei so vermisst, dass er sie nachgeholt hat und sie lebten erstmal im Hinterhof eines Restaurants in einem Zelt für das sie einiges an Miete zahlen mussten. Nach einigen Jahren Arbeitserfahrung in verschiedenen Bäckereien hat Marcello sich dann selbständig gemacht und verkauft jetzt Brote, Croissants und verschiedene andere Backwaren vor allem an Hotels und Restaurants in der Stadt. Hier oben am Stadtrand hat er sich und seiner Familie auch ein schönes Häuschen mit Garten gebaut. Hinten im Garten wachsen alle möglichen heimischen und nicht ganz so heimischen Pflanzen die er uns stolz zeigt. Und wir bekommen gleich ein großes Bündel frischer Minze, Verbene und Zitronenmelisse mit. Außerdem zeigt er uns natürlich seine Bäckerei und wir testen die sehr leckeren Croissants. Eher italienischer Art meint Delphine, aber sehr lecker.

Am Ende wollen wir auch noch einige Croissants und Brote kaufen. Wir bekommen sie zwar, aber zahlen dürfen wir nicht. Etwas beschämt überlegen wir, was wir denn sonst zu bieten hätten für all die schönen Sachen. Aber im Gespräch mit Marcello wird schnell klar, dass er auch sehr gerne kocht und gute Rezepte sammelt. Super. Zuerst bekommt er unser Rezept für Rührei mit Dattel und Minze. Davon hat er ja jede Menge hinten im Garten. Und dann gibt ihm Delphine noch das Rezept für die berühmte Mousse au Chocolat von ihrer Oma. Marcello ist sehr erfreut darüber und wir könne seine Geschenke auch leichter annehmen. Wir sprechen noch lange über ihr Leben in Argentinien und die von Korruption und Machtgier getriebene Politik des Landes. Dann wollen wir aber doch starten um zumindest noch einen Teil der Strecke nach El Chalten zu fahren. Carlos und Ger fahren mit. Wir verlassen El Calafate und fahren noch ca. 30 km nach Norden um dort an einem schönen Flußufer zu übernachten.

Weiter nach El Chalten

Am nächsten Tag starten wir gegen Mittag und fahren weiter nach Norden. Am Lago Viedma sehen wir das erste Mal weit in der Ferne das Bergmassiv um den Fitz Roy und somit die beiden berühmtesten Berge Patagoniens: Fitz Roy und Cerro Torre. Die beiden ragen direkt hinter El Chalten in den Himmel und sind heute beide gut zu sehen.

Die Besteigung dieser beiden Granitriesen überlassen wir anderen, aber außen rum gibt es eine Menge schöner Mehrtageswanderungen und die sind nicht annähernd so stark reglementiert wir im Nationalpark Torres del Paine. Wir sind gespannt.

Doch bevor wir da sind, müssen wir noch ca. 100 km in Richtung Westen entlang des Lago Viedma fahren. Und ca. 10 km vor El Chalten gibt es einige schöne Straßenabschnitte auf denen Pedro direkt auf das Bergmassiv zufährt. Wir stoppen also gleich mehrmals, stellen Kameras auf Stative und jeweils einer von uns bleibt da zum Filmen und Fotografieren und der andere fährt mit Pedro erst in Richtung Berge bis er aus der Sichtweite ist und dann wieder zurück. So bekommen wir schon mal einige schöne Bilder von Pedro mit den Bergen. Allerdings fassen wir auch den Plan, das ganze evtl. bei schönem Wetter zum Sonnenaufgang nochmal zu wiederholen. Dann sind die Berge auch noch richtig schön von vorne angeleuchtet. Aber jetzt wollen wir erstmal ins Dorf und möglichst die nächsten Tage schon die eine oder andere Wanderung machen.

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